Artikelbild Der Ausfallsfaktor als ein wesentlicher Baustein zur Berechnung des Personalbedarfs Pflege

von Peter Mehringer

Nach neununddreißig Jahren Dienst in der Altenbetreuung (davon sechs Jahre in der Pflege und dreiunddreißig Jahre Heimleitung) sind mir die Altenarbeit und die Arbeitsbedingungen der in der Altenpflege beschäftigten Menschen nach wie vor ein wichtiges Anliegen. Vor diesem Hintergrund möchte ich mich in diesem Artikel der Zusammensetzung des Ausfallsfaktors widmen und diese im Detail darstellen.

Auch in meinen 10 Jahren als Vorsitzender der ARGE Tiroler Altenheime war einer meiner Schwerpunkte Gebührenkalkulation und Betriebsstatistik, die eben auch die Thematik Personalbedarfsberechnung incl. Ausfallsfaktor zum Inhalt hatten. Ein Wohn- und Pflegeheim wurde und wird von mir immer als Unternehmen betrachtet und somit ist es ja auch naheliegend, diesen Inhalten ein besonderes Augenmerk zu schenken.

Ich erlaube mir, mich als in der Zwischenzeit pensionierter Heimleiter, vor allem deshalb zu Wort zu melden, da ich weiß, dass dieser Grundlage zur Berechnung des Personalbedarfs im Pflegebereich nach wie vor nicht die dafür notwendige Aufmerksamkeit gewidmet wird. Auch eine Anpassung der geänderten Arbeitsbedingungen wurde, wie meine Recherchen ergaben, leider bislang kaum, wenn überhaupt vollzogen.

Da die Arbeitsbedingungen, auch zugunsten der MitarbeiterInnen in den letzten Jahren vielen Veränderungen unterworfen waren, sollten sich diese jedoch auch in der Personalbedarfsberechnung wiederfinden. Ich bin auch der festen Überzeugung, dass eine gute und menschliche Betreuung und Pflege unserer älteren und alten Menschen in Zukunft nur über eine effiziente Personaldecke und ausreichend Personal möglich sein wird:

„Es ist also besser beizeiten Dämme zu bauen, als zu hoffen, dass eine Flut Vernunft annimmt!“

Im Klartext heißt dies also, dass wir uns auf die vor uns liegende demografische Entwicklung, gut vorbereiten müssen, denn sonst wird uns eine Flut von alten Menschen und die damit verbundenen Aufgaben wohl überschwemmen. Loslösen sollten wir uns auch von dem Leitgedanken, dass die Betreuung und Pflege unserer Mütter und Väter nur viel kostet, sondern dass dieser, unser aller Auftrag volkswirtschaftlich betrachtet auch ein nicht zu unterschätzender Gewinn für alle Beteiligten sein kann und wird. Dies hat auch eine ausführliche Studie der Wirtschaftsuni Wien klar als Ergebnis zum Ausdruck gebracht. Natürlich sind die Kosten nicht zu bagatellisieren, aber die Rückflüsse durch die Beschaffung von Arbeitsplätzen, der damit verbundene Konsum der Beschäftigten, als auch Zulieferfirmen usw. in den Staatshaushalt, sind sicherlich auch nicht zu unterschätzen.

Die zentrale Frage und Zielsetzung dieser Darstellung sollte also sein:

„Was kommt an effektiver Zuwendung und Dienstleistung bei den BewohnerInnen wirklich noch an?“

Diese Zielsetzung ist deshalb so gewählt, da die geänderten Arbeitsbedingungen leider auf Kosten der aktiven Betreuung und Pflege am Bewohner erfolgt und für die drei Säulen der Altenbetreuung wie: Begleitung, Versorgung und Pflege – eigentlich unsere Kernaufgaben – immer weniger Zeit zur Verfügung steht.

Dies, obgleich die Pflegezeit und die daraus resultierende Personaldecke ohnedies schon knapp bemessen ist.

Dieser Umstand spiegelt sich auch immer wieder in Umfragen und Interviews aktiver MitarbeiterInnen wider, wenn Aussagen wie: „Wir haben kaum noch Zeit für unsere BewohnerInnen!“ oder „Ich muss zehn und mehr BewohnerInnen an einem Vormittag allein versorgen und pflegen!“ oft als erstes Manko im Arbeitsfeld Pflege angeführt wird. Neue MitarbeiterInnen unter diesem Schatten für die Pflege zu gewinnen wird sich wohl etwas schwierig gestalten, denn wer will schon an einem Arbeitsplatz tätig sein, der aufgrund seiner Rahmenbedingungen nur Stress und Hektik bedeutet und zu keiner befriedigenden Lösung aller Beteiligten führen kann.

Der Ausfallsfaktor und die daraus resultierende Nettoarbeitszeit pro Jahr oder auch pro Tag bilden eine wesentliche Grundlage für die Berechnung des Personalbedarfs eines Wohn- und Pflegeheimes.

Darstellung zur Eruierung des Ausfallsfaktors als Grundlage für die Berechnung des Personalbedarfs Pflege in Langzeit Wohn- und Pflegeeinrichtungen

Die Bruttoarbeitszeit als Basis für die Berechnung ergibt sich aus der Wochenarbeitszeit mal fünfzig Wochen.

Fünfzig Wochen deshalb, da es ja elf gesetzliche Feiertage plus den 24. und 31.12. als freie Tage gibt.

Rechnet man noch den Faschingsdienstag als halben freien Tag im öffentlichen Dienst dazu, ergeben sich somit 13,50 freie Tage pro Jahr. Da im Regelfall zehn Tage jährlich davon auf Werktage fallen, was zwei Wochen entspricht, wird die Wochenarbeitszeit analog mit fünfzig Wochen multipliziert. Daraus ergeben sich die 2.000 Stunden brutto pro Jahr z.B. bei den GVBG Beschäftigten. Bei den SWÖ-Bediensteten mit 38 Std. Wochenarbeitszeit sind es dann analog nur 1.900 Stunden pro Jahr.

 

Zwei der wesentlichen Änderungen der letzten Zeit, sind die sechste Woche Urlaub ab dem Jahr, in welchem Bedienstete dreiundvierzig Jahre alt werden. Auch die zwei Stunden Nachtschwerarbeit pro Nachtdienst, die es auch schon seit mehr als zehn Jahren im Pflegebereich gibt, wurden meines Wissens bislang noch nie berücksichtigt.

Allein diese beiden Details ergeben wie in der Darstellung ersichtlich 26 Std. + 65 Std. = 91 Std also 4,55%

Auch die lt. GUKG vorgeschriebenen Schulung und Fortbildung ist mit 16 Std wohl eher knapp bemessen.

Auch ein Betriebsausflug mit 8 Std. ist als Dienstzeit zu bewerten und sollte dazu dienen, dass MitarbeiterInnen unterschiedlicher Tätigkeitsbereiche im Heim einen Tag im Jahr gemeinsam verbringen können.

Schulung, Fortbildung, Dienstbesprechungen und Betriebsausflug sind zwar keine Freizeit, finden aber nicht am oder beim Bewohner statt und gehen bislang auch auf Kosten der effektiven Pflegezeit am Bewohner.

Während nahezu alle Ausfallsanteile gut kalkulier- und planbar sind, bildet der Krankenstand die große Unbekannte und wird in dieser Darstellung mit 5% vorgegeben. Es wird dabei Bezug genommen auf die durchschnittlichen Krankentage 2018 und 2019 in Österreich lt. Statistik Austria, Gesundheitskasse, WK und AK.

GVBG 2018 waren es 13,1 Tage x 8,0 Std ergibt 104,8 Std   2019 waren es 13,3 Tage x 8,0 Std ergibt 106,4 Std

SWÖ 2018 waren es 13,1 Tage x 7,6 Std ergibt 99,6 Std      2019 waren es 13,3 Tage x 7,6 Std ergibt 101,0 Std

Im Vergleich dazu sind es bei unserem Ausfallsfaktor 100 Std bei GVBG und 95 Std bei SWÖ – Bediensteten!

Alle anderen Ausfallsanteile sind gut und ziemlich sicher kalkulier-, plan- und steuerbar!

Diese Tagesnettoarbeitszeiten von 255,0 Min/Tag GVBG oder 242,2 Min/Tag SWÖ entsprechen einem Vollzeit-äquivalent „VZÄ“ bzw. der zu erwartenden effektiven Dienstleistung eines(r) Vollzeitbeschäftigten pro Tag und bilden auch den Teiler (Divisor) für die Personalbedarfsberechnung Pflege einer Institution.

 

Die gleiche Berechnung kann auch über die Personalschlüssel, wie in nächster Darstellung ersichtlich, erfolgen. Aber auch hier bildet die Tagesnettoarbeitszeit, die einem VZÄ entspricht, die Schlüsselzahl. Das Verhältnis der vorgegebenen Pflegezeiten zur Tagesnettoarbeitszeit ergibt den Schlüssel je Pflegestufe.

In weiterer Folge können dann die BewohnerInnen durch den jeweilige Personalschlüssel dividiert werden und man erhält dasselbe Ergebnis – alles basierend auf der Tagesnettoarbeitszeit.

Personalbedarf derselben Einrichtung mit 90 Bew. über die Pflegeschlüssel

Bei der Berechnung über die dritte Variante sprich Äquivalente, werden die Pflegezeiten durch die Tagesnetto-arbeitszeit dividiert und der sich daraus ergebende Faktor mit der Anzahl BewohnerInnen der jeweilige Pflegestufe von PG 1 bis PG 7 multipliziert. Man erhält damit wieder das gleiche Ergebnis. Es sind jedoch die Pflegezeiten effektiv zu definieren und als Rahmen vorzugeben, was sicherlich Sinn machen würde. Auch hier würde dann die Tagesnettoarbeitszeit auf Basis eines angemessenen Ausfallsfaktors die zentrale Rolle übernehmen.

Der Berechnung über vorgegebene Pflegezeiten wäre jedoch der Vorzug zu geben, da ja alle drei Varianten grundsätzlich ein Zeitverhältnis bilden. Letztendlich geht es also immer um ein Verhältnis von einer vorgegebenen Pflegezeit zur effektiven Arbeitszeit Netto. Zu bedenken ist auch, dass Zeit eine benannte und gut nachvollziehbare Größe für jeden ist, während Verhältniszahlen für einen ungeübten Betrachter eher problematisch sind und für die Wenigsten auf Anhieb eine gute Nachvollziehbarkeit ermöglichen.
Ergänzend angeführt werden soll auch, dass die Pflegezuschläge ja auch über Kosten des Zeiteinsatzes nach Pflegestufen berechnet werden und auf einer Abrechnung (Rechnung) ja auch keine Verhältniszahlen für die anfallenden Kosten angegeben werden!

Erwähnt werden muss in diesem Zusammenhang außerdem, dass die Altenbetreuung nicht nur die Pflege beinhaltete, sondern dass es ebenso wichtige zusätzliche Tätigkeitsbereiche wie Küche, Reinigung, Wäsche, Haustechnik und Verwaltung gibt. Auch therapeutische Maßnahmen sollten beinhaltet sein. Da diese Arbeits-bereiche jedoch keine Nachtschwerarbeit leisten und auch die Aus- und Fortbildung sowie die Dienst-besprechungen knapper bemessen sind, ergibt sich ein Ausfallsfaktor von 18% bis maximal 18,5%.

Abschließend sei unser neuer Arbeitsminister Dr. Martin KOCHER aus einer Presseaussendung zitiert:

„Den Pflegeberuf attraktiver machen!“

Um dieser Attraktivität des Pflegeberufes etwas näher zu kommen und auch um junge Menschen dafür zu begeistern, werden die hier angeführten Details entsprechend beherzigt werden müssen.

Die Begleitung, Versorgung und Pflege unserer BewohnerInnen muss freier von der derzeitigen Hektik werden, da uns sonst auch noch die derzeitigen MitarbeiterInnen abhandenkommen werden. Auch das Interesse der zukünftigen Generationen für diese sinnvolle Aufgabe in der geriatrischen Pflege wird sich dann in Grenzen halten.

Bedenkt man jedoch, dass es in Österreich derzeit mehr als 500.000 Arbeitslose gibt, so bin ich davon überzeugt, dass unter diesen rund 5% sind – also etwa 25.000 – mit den notwendigen Voraussetzungen für die Altenbetreuung. Mit ihnen könnten wir die Altenpflege in Zukunft sicherlich gut und menschlicher zur Zufriedenheit aller Beteiligten bewerkstelligen.

Wenn die derzeitige Regierung die Betreuung und Pflege unserer Senioren so ernst nimmt wie die Notwendigkeit und Priorität bei der Impfung gegen Corona, dann habe ich Hoffnung, dass sich etwas Positives ergeben wird.

In diesem Sinne ein Dank an alle die so tapfer in diesem schwierigen letzten Jahr durchgehalten haben und mit der Zuversicht, dass sich doch einiges zum Positiven ändern wird.    

HL a.D. Peter Mehringer
Sollte jemand zur Thematik mehr wissen wollen kann er mich auch gerne kontaktieren unter:
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Break Even Point

Pflegeeinstufungen und Pflegegrad für eine adäquate Personalausstattung und Finanzierung des Pflegepersonals in Altenwohn- und Pflegeheimen
In den Wohn- und Pflegeheimen geht es grundsätzlich nicht um finanzielle Gewinne, sondern um ein Nullsummenspiel. Dies heißt, dass der Aufwand durch kostendeckende Tarife ausfinanziert werden kann.
Nach eingehenden Recherchen von rund neunzig Einrichtungen unterschiedlichster Heimgrößen, Heim-situationen, Pflegeeinstufungen und in weiterer Folge auch Pflegegraden, wäre der Break Even Point bei einem erhobenen Pflegegrad von 4,0 bis 4,1 im Vergleich einer Soll / Ist Auswertung anzusiedeln.

Der Gewinn liegt dann darin, dass man ab einem Pflegegrad von mehr als 4.0 mehr Pflegepersonal lukrieren kann und dadurch mehr MitarbeiterInnen im Tagdienst eingesetzt und auch ausfinanziert sein würden.

Wesentliche Voraussetzungen dafür sind jedoch angemessene Pflegezeiten je Pflegestufe incl. Pflegeeinstufungen, ein angemessener prozentueller Zuschlag der Tagespflegezeiten für die Berechnung des Nachtdienstes – also eine Gesamtpflegezeit, sowie ein realistischer Ausfallsfaktor. Werden diese Voraussetzungen nicht erfüllt, ist ein entsprechender Abgang bereits bei der Budgetierung vorprogrammiert.

Wenn in dieser Graphik eine Gewinn- und Verlustzone dargestellt ist, so beziehen sich die Gewinne im Wesentlichen auf die Personalsituation in den Wohn- und Pflegeheimen und nicht auf finanzielle Gewinne.

Liegt ein Heim aufgrund des Pflegegrades in der Gewinnzone, also höher als einem Pflegegrad von 4,0, dann sind die Voraussetzungen für eine ausgeglichene Finanzierung gegeben, da dann die notwendigen Kosten für das Pflegepersonal durch angemessene Einnahmen - Tarife abgedeckt sind.
Voraussetzung ist natürlich auch, dass sich diese Kosten im Heimtarif, also im Pflegezuschlag, wiederfinden.

Befindet sich eine Einrichtung jedoch in der Verlustzone mit einem Pflegegerad von z.B. 3,6 und hat in weiterer Folge, aufgrund einer angespannten Pflegesituation, mehr MitarbeiterInnen beschäftigt, dann fehlen analog natürlich auch die notwendigen Einnahmen über die Heimtarife für eine kostendeckende Finanzierung.


 
Es muss abschließend auf ein gut funktionierendes Einstufungsmanagement beim Pflegegeld in den Einrichtungen hingewiesen werden. Dies vor allem deshalb, um solchen Verlusten bzw. Personaldefiziten entsprechend zu begegnen und um vorprogrammierte Abgänge nach Möglichkeit zu vermeiden, als auch analog das Pflegepersonal nicht laufend am Limit arbeiten lassen zu müssen.

Sollten derlei Voraussetzungen weiterhin zu wenig Beachtung finden, wird sich die Begeisterung und Motivation der derzeit aktiven MitarbeiterInnen voraussichtlich in Frustration oder Burn Out verwandeln.

Nebenbei bemerkt kann man Begeisterung nicht auf der Hochschule bzw. Uni studieren, denn sie muss selbst entwickelt und gefördert werden und dabei spielen auch die Arbeitsbedingungen eine nicht unwesentliche Rolle.    

HL a.D. Peter Mehringer
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