Artikelbild Editorial

von Markus Mattersberger

Geschätzte Leserinnen und Leser der „Lebensweltheim“!

Wenn Sie diese Zeilen lesen, befinden Sie sich bereits mittendrin im neuen Onlineformat unserer Verbandszeitschrift „Lebensweltheim“.

Ich freue mich sehr, dass Sie sich die Zeit nehmen und bin mir sicher, dass wir Ihnen auch weiterhin interessante und lesenswerte Artikel präsentieren können!

Auf Grund der Umstellungsarbeiten auf das neue Onlineformat, liegt das Erscheinen unserer letzten Druckausgabe nun schon mehrere Monate zurück und somit in einer Zeit, in der wir voller Hoffnung auf die neue Regierung waren. Die Hoffnung, die damit verbunden war, gründete sich vor allem in einer längst überfälligen Pflegereform – gekommen ist zunächst alles anders: COVID-19!

Eine extreme Ausnahmesituation für die gesamte Gesellschaft, dennoch wage ich zu behaupten, dass diese Zeit für die Menschen in den Pflegeeinrichtungen mit ganz besonderen Herausforderungen verbunden war: für Bewohner*innen, Mitarbeiter*innen und Führungskräfte! Genährt durch erschreckende Bilder aus Pflegeeinrichtungen mehrerer europäischer Länder, wusste man um die Sensibilität des Systems und wurde sowohl von politischer Seite als auch von namhaften Expert*innen der Schutz dieser Einrichtungen zu Recht als eines der vorrangigen Ziele definiert. Aus heutiger Sicht darf so viel gesagt werden: es ist den Führungskräften und Mitarbeiter*innen in hervorragender Weise gelungen, die Alten- und Pflegeheime durch diese Krise zu führen! Es darf jetzt jedoch nicht der Fehler passieren, aus diesem Umstand den falschen Schluss zu ziehen, nämlich dass es wohl keiner Reform des Pflegesystems bedarf. Zu offenkundig wurden in der Krise die Mängel, die zwar vielfach bekannt waren, denen aber nie mit Entschlossenheit begegnet wurde – die Pflegereform ist dringender denn je!

Einer der wesentlichsten Punkte, der für die erfolgreiche Umsetzung einer Pflegereform realisiert werden muss, ist die Imagesteigerung der Pflegeberufe – wir müssen es schaffen, mehr Menschen für diese wert- und verantwortungsvollen, aber ebenso schönen Berufe zu begeistern! Und gerade in der Hochphase der COVID-19-Krise, in der die Belastungen für alle Beteiligten am größten waren, stellte sich so etwas wie Bewunderung für die Pflege- und Betreuungspersonen ein, klopfte man ihnen – so wie vielen anderen sogenannten „Systemerhalter*innen“  – zumindest rhetorisch auf die Schultern, war zeitweise sogar von Heldentum die Rede und sicherte man Unterstützung und Verbesserungsmaßnahmen zu!

Doch wurde dieses positive Bild allzu schnell bekämpft. Es mag einem Mangel einer medialen Aufmerksamkeit geschuldet sein, fehlendem Interesse an den tatsächlichen Herausforderungen, mit denen die Pflegeeinrichtungen während diesen krisenhaften Wochen zu kämpfen hatte, oder sonst was - jedenfalls scheinen vereinzelte Vertretungsvereine den unbändigen Zwang erlegen zu sein, auch wichtig, auch systemrelevant sein zu wollen! So wurde medial u. a. von „unsäglichem Leid“ berichtet, das den Bewohner*innen in den Pflegeeinrichtungen zuteilwurde. Man positionierte sich nur allzu gerne als die Beschützer der Bewohnerinnen und Bewohner. Ja, die Situation war und ist herausfordernd! Und ja, sie war auch sehr belastend – für Bewohner*innen und deren Angehörige! Doch – und ich darf dezidiert die Repräsentant*Innen der Vertretungsvereine ansprechen – wären Sie vor Ort in den Pflegeheimen gewesen, hätten Sie die Kreativität, das Engagement und Fürsorge nicht übersehen können, mit denen die Mitarbeiter*innen und Führungskräfte den Bewohnerinnen und Bewohnern begegnet sind. Sie hätten feststellen können, dass weit über einen rein körperlichen Aspekt hinaus Gesundheit geschützt wurde, nämlich auch oder insbesondere in einem seelischen und sozialen Sinne. Sie hätten vielleicht erfahren können, wie es ist, auf Grund fehlender rechtlicher Vorgaben Entscheidungen treffen zu müssen, vor denen sich alle anderen drückten – wohlwissend, dass sich jederzeit Ankläger finden lassen, egal welche Entscheidungen man trifft.

Sie hätten den verängstigten, vielleicht auch verärgerten Angehörigen die Situationen erklären können, wäre Ihr Handeln nur im Ansatz vom Willen durchdrungen gewesen, einen positiven Beitrag zu leisten. Wäre es Ihnen tatsächlich ein Anliegen, dem Wohle der Bewohnerinnen und Bewohner zu dienen, so hätten Sie sich längst von einem bloßen Aufzeigen und Anklagen von Symptomen verabschieden und zu einer Ursachenbekämpfung übergehen können. Sie könnten seit Jahren die Anliegen der Pflegeheime unterstützen und für bessere Strukturen für unsere Bewohnerinnen und Bewohner eintreten! Glauben Sie wirklich, die Pflegeheime bedürfen Ihrer Expertise? Was kann sich alles in den 19 Paragrafen dieses Gesetzes verbergen, das sich nur Ihnen erschließt? Was ist das gegen die Vielfalt an Gesetzen, Verordnungen, Vorgaben und Richtlinien, die Verantwortliche in den Pflegeeinrichtungen in ihrer täglichen Arbeit zu berücksichtigen und zu verantworten haben? Die Pflegeheime benötigen nicht Ihre Expertise, um eine bestmögliche Betreuung der Bewohnerinnen und Bewohner sicherstellen zu können, sie benötigen vernünftige Strukturen!

Dass es gerade in herausfordernden Zeiten deutlich besser geht, hat die Volksanwaltschaft bewiesen. Auch hier ist man ihrem Auftrag entsprechend nachgekommen und hat in allen Bundesländern zahlreiche Telefoninterviews mit Führungskräften geführt. Ohne Ausnahme wurde seitens der Einrichtungen von klaren, strukturierten und wertschätzenden Gesprächen berichtet, die durchaus ein ernst gemeintes Interesse an den Situationen, Herausforderungen und Unterstützungsbedarf in den Pflegeeinrichtungen erkennen ließen!

An dieser Stelle mein ausdrücklicher Dank an alle, die in dieser extrem fordernden Zeit für unsere Bewohnerinnen und Bewohner da waren – ein herzliches Vergelt´s Gott!

Ihr
Markus Mattersberger


Markus Mattersberger, MMSc MBA
Präsident Lebensweltheim Bundesverband
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