Artikelbild Pflege und Fürsorge

von Brendan McCormack

Auf dem Weg zu einer personzentrierten Philosophie der Altenpflege

Die person-zentrierte Pflege ist seit langem mit der Krankenpflege und dem Gesundheitswesen verbunden.

Prinzipiell geht es darum, Menschen als Individuen zu behandeln, ihre Rechte als Person zu respektieren, gegenseitiges Vertrauen und Verständnis aufzubauen sowie therapeutische Beziehungen zu entwickeln. Als Krankenschwestern und Krankenpfleger erwarten wir, dass die Menschen nach einem Standard gepflegt werden, der diesen Grundsätzen entspricht. Der Nutzen personzentrierter Pflege ist unbestritten, allerdings ist die Umsetzung der Kernkonzepte in der täglichen Praxis herausfordernd (McCormack et al. 2021). Die Gründe dafür sind vielfältig und stehen oft im Zusammenhang mit dem Pflegekontext sowie mit der Tatsache, dass wir in einer Zeit des ständigen Wandels leben. Dies gilt besonders für stationäre Einrichtungen der Altenpflege.

In der Vorbereitung auf den Führungskräftekongress „Care 4.0 – Change in Competence“ werde ich mir bewusst, dass wir gerade den größten und bedeutendsten Veränderungsprozess unseres Lebens hinter uns gebracht haben – die Covid 19-Pandemie.  Natürlich ist es unangebracht, diese Zeit als „nach der Covid-Pandemie“ zu bezeichnen, da die meisten Länder weiterhin mit den Auswirkungen der Pandemie und der Infektionsbekämpfung und -prävention beschäftigt sind. Ältere Menschen und Mitarbeiter:innen, die in Pflegeheimen leben und arbeiten, waren von der Covid 19-Pandemie besonders betroffen. Die Unterschiedlichkeit von Pflegeheimen bei Größe, Ausstattung, Lebensbedingungen, Demografie, Personal und ihren Tätigkeiten führte zu unverhältnismäßig vielen Todesfällen unter den Heimbewohner:innen und zu hohen Infektionszahlen (Cassone & Mody 2021). Es ist zwar verständlich, dass sofort Maßnahmen im Management und in Sachen Infektionsprävention ergriffen wurden, aber es scheint, dass einige dieser Maßnahmen in Pflegeheimen über die Zeit der Pandemie hinaus beibehalten und dadurch zum Normalfall wurden. Dazu zählen etwa eingeschränkte Besuchszeiten, Isolationsmaßnahmen oder Infektionskontrollen. Sie haben weiterhin (negative) Auswirkungen auf die Lebensqualität der Heimbewohner:innen und ihrer Familien. Aber ist das notwendig?

Die Förderung der "Personzentriertheit" steht im Einklang mit der Entwicklung internationaler Bestimmungen und sollte sich in Denkansätzen für die Arbeitsweise der Dienste für ältere Menschen widerspiegeln. Das Pflegepersonal leistet zwar einen wichtigen Beitrag zur Qualität der Pflege, die den Bewohner:innen von Pflegeheimen und ihren Familien geboten wird, doch hat die Covid 19-Pandemie dazu geführt, dass der Schwerpunkt stärker auf Bereiche der Pflegepraxis gelegt wird, die sich quantifizieren lassen, wie z.B. die Häufigkeit von Druckgeschwüren, von Therapien ausgelöste Infektionen oder die Häufigkeit von Stürzen, die als Kennzahlen herangezogen werden können. Im Gegensatz dazu gibt es weniger Indikatoren, die sich an den Auswirkungen der Pflege im Erleben der Bewohner:innen orientieren und diese belegen können. In diesem Zusammenhang würde ich behaupten, dass die Zeit reif ist für die Förderung neuer Arbeitsweisen in Pflegeheimen, die eine wirksame personzentrierte Praxis ermöglichen, und für die Anwendung von Ansätzen, die positive Ergebnisse als Resultat nachweisen können.

Pflege- und Betreuungspraktiken, die von den Grundsätzen der Autonomie, des Bürgerrechts, der Würde und des Respekts (die auch den Grundsätzen der personzentrierten Pflege zugrunde liegen) geprägt sind und die ihnen zugrunde liegen, sind von zentraler Bedeutung für die Weiterentwicklung von Pflege und Betreuung in Pflegeheimen. Die Entwicklung von Pflegemodellen, die es ermöglichen, personzentrierte Prinzipien in Pflegeheimen umzusetzen, ist ein zentrales Thema bei der Reform der Pflegepraxis und für den Schutz der Bürgerrechte der Bewohner in diesen Einrichtungen. Die Umgestaltung von Pflegeheimen ist ein Schwerpunkt vieler westlicher Regierungen, und es gibt Bedarf an innovativen Rahmenbedingungen in diesem Bereich, die es vermeiden, den Anbietern von Pflegeheimen modifizierte Modelle der Akutversorgung aufzuerlegen. Ein Großteil der Arbeit sollte sich auf die Entwicklung einer personzentrierten Kultur konzentrieren, vor allem durch die Umgestaltung von Systemen, Strukturen und die Neugestaltung von Pflegediensten.

Personzentrierung geht über vordergründige Auffassungen der Erleichterung von Wahlmöglichkeiten, der Planung und Bereitstellung individueller Pflege und der Gewährleistung einer effektiven Leistungserbringung hinaus. Eine personzentrierte Kultur konzentriert sich auf die Maximierung des Potenzials aller Menschen, indem sie die Person (und nicht ihre Krankheit, Symptome oder ihren Zustand) in den Vordergrund und ins Zentrum der Entscheidungsfindung stellt. Sie stellt sicher, dass der Fokus fest darauf ausgerichtet ist, dass sich alle Menschen entfalten können – einschließlich des Pflegepersonals, das in Diskussionen über personzentrierte Pflege oft nicht beachtet wird. Wenn wir erwarten, dass Pflegeheime umgestaltet werden, müssen wir die Kompetenz, das Wohlbefinden und die Arbeitsbedingungen des Pflegepersonals und anderer Pflegekräfte berücksichtigen.  Die Betrachtung von Pflegeheimen aus der Perspektive einer "Gemeinschaft" ist für diese Entwicklungen von zentraler Bedeutung.  Die Möglichkeiten für Innovation und Wandel sind spannend. Jetzt ist es an der Zeit, kreativ zu denken und Entscheidungen zu treffen, die die Pflege in Pflegeheimen verbessern und sicherstellen, dass alle älteren Menschen als Bürger:innen aufblühen können.

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Referenzen
Cassone, M and Mody, B (2021) Measuring the outsized impact of COVID-19 in the evolving setting of aged care facilities, EClinicalMedicine https://www.thelancet.com/action/showPdf?pii=S2589-5370%2821%2900105-X

McCormack B, McCance T, Martin S, McMillan A, Bulley C (2021) Fundamentals of Person-centred Healthcare Practice Wiley, Oxford https://www.perlego.com/book/2068078/fundamentals-of-personcentred-healthcare-practice-pdf?utm_source=google&utm_medium=cpc&gclid=Cj0KCQjwtrSLBhCLARIsACh6Rmj9sarf1IjwEHCseXMsPLGeUTTQlJWYL6mfQEQgwO3lnLkUU9Gb0A8aAgT1EALw_wcB

 

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Name und Wohnort
Brendan McCormack – Sydney/Australien

Ich bin
Leiter der Susan Wakil School of Nursing & Midwifery (inkl. Sydney Nursing School) und Dekan der Faculty of Medicine and Health der University of Sydney.

Expertise
habe ich in der gerontologischen Pflege in personzentrierter Theorie und Praxis.

Was ich mag
Ich koche gerne und bin in meinem Herzen ein frustrierter Koch! Ich wollte immer nur Koch werden, aber das hat leider nicht geklappt, also übe ich jetzt nur an Freunden und Familie. Ich halte mich auch gerne fit und tue mein Bestes, um gesund zu bleiben.

Mit 80
möchte ich aktiv sein und das Leben in vollen Zügen genießen. Bis dahin habe ich hoffentlich beschlossen, nicht mehr zu arbeiten und werde das Leben in einem sonnigen Land mit meinem Mann und meinen Freunden genießen. Ich werde all jene Bücher gelesen haben, für die ich aktuell keine Zeit finde, werde viel gereist sein und mich weiterhin mit Begeisterung für Dinge einsetzen, die mir wichtig sind.

Website
www.sydney.edu.au/medicine-health/about/our-people/academic-staff/brendan-mccormack.html

 

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