Wien, 22.10.2023 (OTS) Der Lebenswelt Heim Bundesverband zu den Überlegungen zur Arbeitszeitverkürzung im Pflegebereich

Die Verhandlungen für die Kollektivverträge laufen heiß, in allen Branchen, aber auch in der Pflege- und Sozialbranche.

Auch hier wird unter anderem eine Arbeitszeitverkürzung diskutiert.

Die einen haben die Arbeitsbedingungen als Grundlage für Arbeitszufriedenheit im Visier, die anderen fokussieren auf die gesamte Arbeitsmenge und die Finanzierbarkeit. Der Lebenswelt Heim Bundesverband betrachtet wie immer sorgfältig die Vor- und Nachteile und ist bestrebt, mögliche Lösungsansätze aufzuzeigen.

„Wir sehnen uns ebenfalls nach einer optimalen Lösung. Gleichzeitig ist uns bewusst, dass die Realität, insbesondere in der Pflegewelt, oft komplexer ist, als es auf den ersten Blick erscheint“, so Vereinspräsident Jakob Kabas. Täglich ist er in Kontakt mit den Führungskräften und Mitarbeiter:innen vor Ort und weiß: vieles funktioniert derzeit, weil Menschen bereit sind, viel mehr auf ihren Schultern zu tragen, als vorgesehen.

Die Teilzeitquote in den Pflege- und Betreuungsberufen ist schon lange hoch. Häufig treffen Mitarbeiter:innen eine schwere Entscheidung zwischen „wie viel kann/ will ich arbeiten – angesichts der herausfordernden Arbeitsbedingungen“ und „wie viel muss ich arbeiten, um mir mein Leben leisten zu können“. Aus Sicht der Bewohner:innen ist offensichtlich, dass eine steigende Teilzeitquote, also durchschnittlich eine geringere wöchentliche Arbeitszeit pro Pflege- und Betreuungsperson zu weniger Kontinuität in der Betreuung führt.

„Der grundlegende Wandel hin zur individuellen Entscheidungsfreiheit bezüglich der Arbeitsstunden, bei dem Gesetze und Kollektivverträge nicht mehr zwingend vorgeben, hat in der Pflegebranche bereits vor langer Zeit seinen Anfang genommen," erklärt der Präsident von Lebenswelt Heim Jakob Kabas. „Dementsprechend lautet die Frage für uns nicht: wie viel soll eine Person in einem Pflege- oder Betreuungsberuf pro Woche arbeiten, sondern wie viel ist die einzelne Stunde wert, die gearbeitet wird. Wir müssen bei dieser Diskussion darauf achten, dass wir – zumindest was unsere Berufsgruppen betrifft – nicht über die falsche Rechengröße sprechen!“

Den Mitarbeiter:innen vor Ort ist die Beziehung zu den ihnen anvertrauten Personen sehr wichtig. „Meine Mitarbeiter:innen feiern die Entlastungswoche nicht, weil sie in Sorge sind, wer sie im Dienst ersetzen soll, während sie auf Urlaub sind. Sie wollen eigentlich nichts anderes, als sich ohne Zeitdruck und Stress auf die Bewohner:innen konzentrieren zu können, während sie im Dienst sind,“ beschreibt Günther Schranz, der ein Pflegeheim in Niederösterreich leitet. „In der Realität ist eine Kompensationsmöglichkeit nur durch Überstunden möglich, was wiederum die Arbeitsbelastung erhöht,“ fügt Claudiu Suditu, Leiter eines Hauses in Wien, hinzu.

Die Forderungen des Lebenswelt Heim Bundesverbandes in Richtung der Entscheidungsträger sind deshalb:

  • anstatt die wöchentliche Arbeitszeit pauschal zu reduzieren, das Gehalt um den entsprechenden Faktor anheben, sodass eine Konkurrenzfähigkeit der Pflege- und Betreuungsberufe in Richtung Industrie und Wirtschaft gefördert wird und eine hohe Flexibilität in Bezug auf mögliche Wochenstundenverpflichtungen erhalten bleibt,
  • das Gehalt nicht in Form von Einmalzahlungen anheben, sondern kontinuierlich und nachhaltig finanziert,
  • gleichzeitig mehr Anreize in Bezug auf die Arbeitsgesundheit schaffen.


„Im Gegensatz zu anderen Brachen ist der Kuchen, den es zu verteilen gibt, in der Sozialwirtschaft de facto nicht existent,“ berichtet die Presse kürzlich in ihrem Artikel zu den Kollektivvertragsverhandlungen der Sozialwirtschaft und zeigt damit einen wesentlichen Aspekt auf: dass die Preisgestaltung in der Pflegebranche nicht wie unter anderem der Industrie ein Ergebnis von Angebot und Nachfrage ist, sondern grundsätzlich (mit Ausnahmen) auf einem bundeslandweise unterschiedlich festgesetzten Tarif beruht. „Steigt der Gewinn, gehört die Arbeitszeit runter,“ argumentiert die Arbeiterkammer grundsätzlich richtig. In der Pflegebranche sind Gewinne (auch angesichts der Gemeinnützigkeit vieler Träger) nicht an der Tagesordnung und in Bezug auf die Preisgestaltung besteht wie erläutert eine ausschließliche Fremdbestimmung. Das bedeutet, dass für jede Maßnahme, die eine direkte oder indirekte Auswirkung auf die Höhe der Gehälter der Beschäftigten hat im Pflegebereich eine Gegenfinanzierung sichergestellt sein muss.

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