Artikelbild Qualitätsmanagement in Alten- und Pflegeheimen: Schönwetterprogramm oder professionelle Navigation in stürmischen Zeiten?

Wer hätte vor drei Jahren gedacht, dass diese Diskussion in der Branche der Alten- und Pflegeheime wieder geführt werden muss? Doch die Pandemie und die Auswirkungen des zunehmenden Personalmangels lassen Fragen rund um die Aufwand-Nutzen-Relation des Qualitätsmanagements erneut aufflammen.

Und wie so oft finden sich auch hier zwei Seiten der Medaille: Jene Kolleginnen und Kollegen, die festhalten, dass für die Implementierung bzw. Umsetzung eines Qualitätsmanagementsystems die Ressourcen fehlen bzw. die generell die Sinnhaftigkeit der strukturierten Qualitätsarbeit, die zusätzlich zum derzeit sehr fordernden Tagesgeschäft stattfinden soll, hinterfragen und jene Vertreterinnen und Vertreter von Alten- und Pflegeheimen, die gerade in Zeiten der Pandemie und des Personalmangels auf etablierte Qualitätsmanagementsysteme zählen und diese für die weitere Entwicklung der Organisation als äußerst wichtig einstufen.
Was bringt Qualitätsmanagement nun aber wirklich und welche Auswirkungen hat die strukturierte Qualitätsarbeit für eine krisengeprägte Branche? Vertreterinnen und Vertreter von Alten- und Pflegeheimen sowie Qualitätsexpertinnen und –experten liefern hierzu klare Antworten.

Mahatma Gandhi sagte einst: „Die Zukunft hängt davon ab, was wir heute tun.“ Und das gilt aktuell mehr denn je. So sollte Qualitätsmanagement im Bereich der Betreuung und Pflege älterer Menschen vor allem auch in herausfordernden Zeiten ein wichtiger Begleiter sein. Die Stimmen, die genau das hinterfragen, werden aufgrund der angespannten Personalsituation und fehlender Ressourcen allerdings immer lauter. Die pandemiebedingten Einschränkungen tun ihr übriges zur skeptischen Haltung einzelner Verantwortungsträgerinnen und -träger, die insbesondere auf die Qualitätseinbußen der letzten zwei Jahre verweisen. Eine Hausleiterin hält dazu fest, dass die vielbeschworene Alltagsnormalität ein Stück weit verloren gegangen ist und die Lebensqualität der Bewohnerinnen und Bewohner gelitten hat: „Wir fangen wieder von vorn an und irgendwie fehlt uns dazu die Kraft und der Ansporn.“

Andrea Freisler-Traub, Geschäftsführerin des Vereins zur Förderung der Qualität in der Betreuung älterer Menschen und der NQZ-Zertifizierungseinrichtung hört diese Worte in den letzten Monaten sehr oft. Unterstützung bietet sie hier mit dem Nationalen Qualitätszertifikat für Alten- und Pflegeheime (NQZ), das seit 15 Jahren Alten- und Pflegeheime in ganz Österreich auf dem Weg zur Qualität begleitet, wobei ein besonderes Augenmerk auf der Lebensqualität der Bewohnerinnen und Bewohner liegt. In zahlreichen Gesprächen versucht Andrea Freisler-Traub gerade in letzter Zeit Führungskräfte zur Fortsetzung einer konsequenten Qualitätsarbeit zu motivieren.

„Etablierte Qualitätsmanagementsysteme und insbesondere auch die Zertifizierung im NQZ liefern eine umfassende Bestandsaufnahme. Ist ein Alten- und Pflegeheim vor drei Jahren im Stabhochsprung-Modus locker über 3,5 Meter gesprungen, so erreicht es heute vielleicht nur noch die Ein-Meter-Marke. Dies zu erkennen (auch wenn es schmerzlich ist), ist ein wesentlicher Schritt in der nun so dringend erforderlichen Fortsetzung der Qualitätsentwicklung. Die Bestandsaufnahme zeigt den Verantwortlichen und ihren Teams, was an Qualität erhalten wurde, welche Prozesse stabil geblieben sind und welche in der Krise geholfen haben. Darüber hinaus wird sichtbar gemacht, was verloren gegangen ist, was neu entwickelt wurde und was sich mittlerweile etabliert hat. Natürlich werden viele Alten- und Pflegeheime in diesem Schritt zur Erkenntnis kommen, dass Qualität eingebüßt wurde. Doch darauf kommt es – insbesondere auch im NQZ – nicht an. Was für Alten- und Pflegeheime zählt ist zu erkennen, wo sie heute stehen, was ihre, der aktuellen Situation und der nahen Zukunft, angemessenen Qualitätsziele sind und wie sie diese, auch unter erschwerten Bedingungen, erreichen können. Dass dieses Qualitätsziel nicht den 3,5-Meter-Sprung in zwölf Monaten umfasst, ist selbstredend, soll aber niemanden davon abhalten, konsequent auf dem Qualitätsweg zu bleiben und die nächsten Etappen in Angriff zu nehmen.“


Einer, der dieser Aufforderung folgt und den Qualitätsweg auch in den aktuell herausfordernden Zeiten beschreitet, ist Haus- und Pflegedienstleiter Claudiu Suditu vom Caritas Haus St. Barbara in Wien. Er ist im Januar 2022 in die erste NQZ-Rezertifizierung gestartet und hält fest: „Die erstmalige Definition von NQZ-Kennzahlen sowie den gesamten Kommunikationsprozess habe ich als ordentliche Herausforderung in Erinnerung, doch das hat sich auf jeden Fall gelohnt. Schließlich ist das Ziel unseres Qualitätsmanagements nicht das Erwerben von Zertifikaten, sondern der dahinterstehende Prozess zur Verbesserung der Lebensqualität der Bewohnerinnen und Bewohner. Ich bin davon überzeugt, dass sich der investierte Zeitaufwand in Form von Zufriedenheit der Bewohnerinnen und Bewohner, Entlastung von Angehörigen sowie langjähriger Bindung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in einem sehr hohen Ausmaß lohnt.“ Auch Doris Mittendorfer, Hausleiterin des SENIORium Perg in Oberösterreich ist sich sicher, dass sich das Durchhalte-vermögen sowie die Schaffung von Kontinuität bezahlt machen: „Qualitätsmanagement ist aufwendig, das ist unbestritten. Am aufwendigsten ist es jedoch, wenn es nur dann passiert, wenn eine Zertifizierung oder Re-Zertifizierung ansteht. In diesem Fall ist es, als würde man von vorne anfangen. Wir versuchen daher die notwendigen Aufgaben jeden Tag zu erledigen. Dadurch bleibt der Ressourcenaufwand überschaubar.“

Fehlende Ressourcen erschweren Qualitätsmanagement in Alten- und Pflegeheimen


Überschattet vom Alltagsgeschäft sowie personellen und finanziellen Engpässen wird dem eigentlich großen Qualitätsmanagement-Interesse in Alten- und Pflegeheimen ein „Nice to have“-Stempel aufgedrückt. „Das Thema Qualität sollte allerdings kein losgekoppelter Bereich, sondern Teil des täglichen Arbeitsalltags aller Führungskräfte sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sein. Schließlich unterstützt Qualitätsmanagement ein strukturiertes und wirkungsorientiertes Planen und Handeln sowie eine kontinuierliche Evaluierung und Weiterentwicklung, was Sicherheit und Orientierung für die unmittelbaren Anspruchsgruppen schafft“, betont Jakob Kabas, Geschäftsführer des Sozialhilfeverbandes Liezen und Vorsitzender des Vereins zur Förderung der Qualität in der Betreuung älterer Menschen.

„Altenpflege ist kein Konsumgut, sondern ein Allgemeingut“, hält Jakob Kabas fest. „Eine notwendige Bedingung dafür ist, dass es auf der Ebene des Bundes und der Länder ein Commitment zur Frage `Welche Qualität wollen wir uns leisten und finanzieren?` gibt. Dieser Grundkonsens fehlt knapp drei Jahrzehnte nach der Pflegevereinbarung von 1993 insbesondere in der Ergebnisqualität immer noch weitgehend. Ausgehend von diesem Commitment braucht es eine gesetzliche Verankerung von Qualitätsmanagement, das politisch und gesellschaftlich wertgeschätzt und finanziell wertgesichert ist. Die öffentliche Hand ist immer daran interessiert zu erfahren, wie viel der öffentlichen Gelder in konkreter Lebensqualität bei den Bewohnerinnen und Bewohnern ankommt. Qualitätsmanagement im Allgemeinen und das NQZ im Besonderen geben darauf konkrete und zuverlässige Antworten.“


Qualitätsmanagement liefert gerade jetzt einen nachhaltigen Mehrwert in der Betreuung und Pflege älterer Menschen


Der Mehrwert, den Alten- und Pflegeheime aus einem Qualitätsmanagement-System und einer Zertifizierung im NQZ ziehen können, ist jedoch trotz aller Hürden und Herausforderungen unbestritten. Schließlich hat dies nicht nur positive Auswirkungen auf das Image, es erbringt auch Nachweise der Sorgfaltspflicht, bindet und motiviert Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, verringert Redundanzen, optimiert Abläufe und sichert die Evaluierung der laufenden Prozesse, es schafft Vertrauen gegenüber der Öffentlichkeit und wirkt sich positiv auf die Lebensqualität der Bewohnerinnen und Bewohner aus.

Davon berichtet auch die Regionalleiterin OÖ / Kärnten der Stiftung Liebenau Österreich Doris Kollar-Plasser, die sich trotz Pandemie und Personalmangel im letzten Jahr für die Re-Zertifizierung im NQZ des Haus St. Josef in Gmunden entschieden hat: „Ohne unser etabliertes Qualitätsmanagementsystem und die Struktur des NQZ würden wir uns jetzt in aktuellen Themen verlieren. Besonders die Arbeit mit den Kennzahlen zeigt uns, ob wir auf dem richtigen Weg sind. Ohne den Vergleich mit Zahlen aus den Vorjahren bleibt der momentane subjektive Eindruck im Vordergrund und der Fokus nur auf das aktuelle Jahr gerichtet. Darüber hinaus beeinflusst, sichert und steuert der etablierte Qualitätskreislauf Plan – Do – Check – Act (PDCA) die Entwicklung unseres Hauses, zeigt die Richtung für die verschiedensten Themen auf und gibt uns Input für die tägliche Arbeit.“ „Mit diesem System können wir den Problemen des Pflegealltags trotzen“, ergänzt der Leiter des Hauses St. Josef Thomas Adler. „Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stehen der Qualitätsarbeit und den damit verbundenen Systemen aufgeschlossen gegenüber, obwohl es auch kritische und skeptische Stimmen gibt. In persönlichen Gesprächen kann man jedoch klar den Nutzen der inhaltlichen Weiterentwicklung und somit die Steigerung der Lebensqualität der Bewohnerinnen und Bewohner aufzeigen. Ein weiterer wichtiger Aspekt dabei ist die Stärkung des Zusammenhalts aller Gruppen im Haus.“

Der oft thematisierte Personalmangel hat auch Hausleiterin Doris Mittendorfer nicht davon abgehalten die Re-Zertifizierung des SENIORium Perg 2021 in Angriff zu nehmen: „Personalmangel ist ein Problem, welches nicht erst seit der Pandemie besteht. Die Pandemie und die damit verbundenen ständigen Neuregelungen wie 3G, 2G, 2G+ etc. haben dieses nur noch verstärkt. Aber gerade deshalb ist der Erhalt der Qualität für ein optimales Mit- und Füreinander umso wichtiger. Wenn man durch die Re-Zertifizierung die Bestätigung erhält, dass dies gut gelungen ist, ist das für jede Mitarbeiterin und jeden Mitarbeiter eine große Anerkennung. Qualitätsmanagement jetzt nach hinten zu reihen, würde die bedarfsorientierte Entwicklung bremsen und jedenfalls negative Auswirkungen auf die Zufriedenheit der Bewohnerinnen und Bewohner, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Angehörigen mit sich bringen.“

Den Mehrwert einer strukturierten Qualitätsarbeit hebt auch Andrea Freisler-Traub hervor, wobei sie mit dem NQZ einen externen Blick auf die Ziele, das Handeln und das Leistungsergebnis der Alten- und Pflegeheime wirft: „Qualitätsmanagementsysteme fordern alle Beteiligten auf, ihr Handeln im Sinne des PCDA zu hinterfragen, ihre Prozesse kontinuierlich zu reflektieren und anzupassen. Die Verantwortlichen stellen dabei zudem sicher, dass alle Beteiligten gut über das Vorgehen im Prozess informiert sind und sich in die Weiterentwicklung des Alten- und Pflegeheimes einbringen können. Vor allem in stürmischen Zeiten mit sich rasch ändernden Rahmenbedingungen entlastet die Prozessklarheit und -sicherheit alle Beteiligten und die Fehleranfälligkeit sinkt. Definierte Prozesse unterstützen darüber hinaus auch im Onboarding neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.“ Haus- und Pflegedienstleiter Claudiu Suditu profitiert aktuell außerdem von einer „raschen und professionellen Weiterentwicklung von Präventionskonzepten und Krisenplänen sowie der Etablierung von alternativen Kommunikationsräumen für Videotelefonie, Streaming von Veranstaltungen und Telemedizin und der Einführung zusätzlicher, pandemiegerechter Beschäftigungsmöglichkeiten für die Bewohnerinnen und Bewohner“, während Hausleiterin Doris Mittendorfer von „einem Gefühl von Sicherheit“ und einem „geschärften Qualitätsbewusstsein jeder einzelnen Mitarbeiterin und jedes einzelnen Mitarbeiters“ berichtet.


NQZ unterstützt Alten- und Pflegeheime auch in Krisenzeiten den Qualitätsweg konsequent weiterzugehen


Das NQZ hat insbesondere auch in Krisenzeiten die Lebensqualität der Bewohnerinnen und Bewohner sowie die Zufriedenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und weiterer Anspruchsgruppen im Fokus. Es unterstützt Alten- und Pflegeheime in ihrem Bemühen eine hohe Qualität zu erbringen. Branchenspezifische Expertinnen und Experten stellen im Rahmen des Zertifizierungsverfahrens ihr Know-how und ihre Außenperspektive zur Verfügung. Dabei orientieren sie sich an ausgewählten Qualitätsindikatoren, deren Erfüllung dafür sorgt, dass Lebensqualität und Zufriedenheit kein Zufall mehr sein können. Mit dem NQZ stehen Alten- und Pflegeheimen somit erfahrene und starke Begleiterinnen und Begleiter auf dem Qualitätsweg zur Seite – und das bei jeder „Wetterlage“.

 

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