Artikelbild Der nächste Schritt – auf jede Befragung muss es auch Initiativen geben

von Annelies Fitzgerald und Alexander Seidl

Bericht zur Veranstaltung des Karl Landsteiner Institutes für Human Factors und Human Resources „Hotspot Pflegemanagement“

„Die Pflege kann nicht mehr“, „Wir sind am Ende“, „Es ist 5 Minuten nach zwölf“, „Man muss etwas ändern“, „Jetzt ist die Politik gefordert“,…
Aussagen wie diese waren in letzter Zeit oft zu hören. Wie in einer der letzten Ausgaben von Lebenswelt Heim berichtet, hat der „Führungsbarometer Pflege 2021“, eine Umfrage des Karl Landsteiner Institutes für Human Factors & Human Resources, an der sich nahezu 1.600 Führungskräfte der Pflege beteiligt hatten, ein differenzierteres Bild gezeigt (s.d. Artikel Lebenswelt Heim Online Magazin Ausgabe 90).
Es zeigten sich einerseits als ganz große „Hotspots“ aus Sicht der Führungskräfte die Themen Personalsituation, Image, ausreichend Ressourcen und Miteinbindung in Entscheidungen.
Es zeigte sich aber auch, dass es einzelne Häuser gibt, die zu diesen Hotspots schon gute Lösungen entwickelt haben. So wichtig politische Weichenstellungen sind und eingefordert werden müssen, sosehr gibt es innerhalb der Häuser noch einige kreative Möglichkeiten, die Situation für die Mitarbeitenden angenehmer und unterstützender zu gestalten.

Wie ebenfalls in der letzten Ausgabe angekündigt, wurde mit diesen Ergebnissen aus dem Führungsbarometer Pflege 2021 in einer ExpertInnenrunde aus allen Bereichen der Pflege weitergearbeitet, aus dieser ExpertInnenrunde entwickelte sich das „Nationale Netzwerk Pflegemanagement“.
„Wir verfolgen im Rahmen des Netzwerkes zwei Ansätze: Gut funktionierende Lösungen müssen wesentlich transparenter ausgetauscht werden und trägerübergreifend muss auch an politischen Lösungen der Situation mitgearbeitet werden“, so Dr. Annelies Fitzgerald, die Initiatorin des Netzwerkes und Leiterin des Karl-Landsteiner-Institutes für Human Factors & Human Resources. Um Erkenntnisse und Ergebnisse mit allen in der Pflege Verantwortlichen zu teilen, wurde als Auftakt in Richtung „mehr Transparenz“ die Veranstaltung Hotspot Pflegemanagement geplant und am 30.11. erfolgreich für knapp 200 Teilnehmerinnen durchgeführt. Im Rahmen der Veranstaltung wurden von Mitgliedern des Netzwerkes brisante Aspekte, aber auch schon funktionierende Lösungen aus der Praxis präsentiert.  
Ziel der Veranstaltung und auch für zukünftige Aktivitäten sind die Weiterentwicklung und der Austausch von Best Practice Beispielen verschiedener Trägerorganisationen und verschiedener Pflegebereiche und  -settings, von denen alle profitieren können.

Mag. Mario Filoxenidis (wissenschaftlicher Beirat im Institut und Geschäftsführer von EUCUSA) eröffnete die Veranstaltung.  Kurz wurden relevanten Ergebnisse aus dem Führungsbarometers Pflege 2021 vorgestellt, die Sie auch unter https://www.kli-hr.at/aktivitaeten/pflegemanagement/fuehrungsbarometer/ nachlesen können.


Darüber, wie sich der Langzeitbereich von allen anderen Pflegebereichen unterscheidet, hatten wir in der letzten Ausgabe von Lebenswelt Heim berichtet (siehe Link im ersten Absatz) berichtet. Kurz zusammengefasst ist im Langzeitbereich – so wie in allen anderen Pflegesettings - die Freude an der Arbeit, das Teamklima, die Wertschätzung durch MitarbeiterInnen und das Verhalten der eigenen Führungskraft als sehr wichtig und positiv hervorgehoben worden. Aktuell unzureichend und sehr wichtig ist die Personalsituation, die Entlohnung, das Image und die Ressourcensituation, um gute Pflege leisten zu können. Die Einbindung in Entscheidungen wird im Langzeitbereich als einziger Bereich der Pflege eher positiv bewertet, in allen anderen Bereichen kritisch gesehen.



Alexander Seidl (Geschäftsführer von health care communication) führte durch die Veranstaltung. In seiner Einleitung wies er unter anderem darauf hin, dass der österreichweite Austausch zwischen Akut- und Langzeitpflege (stationär und mobil)  und anderen Pflegesettings mit bewährten Best Practice Beispielen ein wesentlicher Beitrag zu Verbesserungen der Situation in allen Pflegesettings sein kann. Besonders profitieren können die Organisationen von Strategien, neue, qualifizierte MitarbeiterInnen zu finden und diese auch in der Organisation zu halten sowie Führungskräfte zu entwickeln, die ihre Aufgabe gerne machen und einen organisatorischen Rahmen schaffen, in dem sie ihre Führungsrolle auch gut und stimmig leben können.

Im ersten Vortrag „Empowerment und Bedürfnisse junger Führungskräfte in der Pflege“ standen junge Führungskräfte und ihre Bedürfnisse im Zentrum. Hintergrund war, dass beim Führungsbarometer Pflege 2021 junge Führungskräfte fast alle Aspekte besonders kritisch gesehen haben und die Lust, Führungsaufgaben zu übernehmen, bei der jüngeren Generation schwindet. Dies ist bedenklich, da es in den nächsten 10 Jahren einen enorm hohen Bedarf an jungen Führungskräften in der Pflege geben wird. Der Vortrag wurde von Tamara Archan, 2. Vizepräsidentin des ÖGKV und Mitgründerin der ARGE Junge Pflege sowie Ines Schwarz, Pflegepädagogin, gehalten.

Probleme wie die Sandwichposition in der Organisation, die Bedürfnisse der verschiedenen Generationen im Team, persönliche Unsicherheit als junger Mensch in einer leitenden Position oder hohe organisationsseitige Anforderungen wurden als große Herausforderungen und Hemmschuh für die Übernahme von Führungstätigkeiten aufgezeigt. Eine der Erkenntnisse dabei ist:
„Gut im Fach zu sein ist nicht ausreichend und ist nicht gleich Führungskompetenz“.
Auch die Erwartungen junger Führungskräfte haben sich verändert. In Zukunft wird man sich neue Arbeitszeitmodelle, wie etwa Homeoffice („Dienstpläne können auch zu Hause erstellt werden…“) und flexiblere Arbeitszeitgestaltung überlegen müssen, um den hohen zu erwartenden Bedarf an Pflegenden – und eben auch an jungen Führungskräften - zu decken.
Weitere Schritte zur Attraktivierung wären Führungskräfteentwicklungen mit mehr Persönlichkeitsentwicklung und Kommunikation aber auch die Begleitung durch und der Austausch mit älteren, erfahrenen Führungskräften, um sich für die Führungsrolle zu stärken. Hier wurde auch auf die sehr wertvolle Möglichkeit unternehmensübergreifenden Mentorings hingewiesen. Dies gibt Einblicke in andere Organisationen und stärkt das Vertrauen, da die Mentoren Problemsituationen leichter „von außen“ betrachten können.

„Transparenz schafft Vertrauen“ – Unter diesem Motto präsentierte Doris Kazianka-Diensthuber, Pflegedirektorin der Gailtal-Klinik (KABEG) ihr Best-Practice Beispiel aus ihrem Haus. Es ist ihr gelungen, trotz Pandemie eine gute Stimmung unter ihren Mitarbeitenden zu halten. „Wer in Zukunft qualifizierte Beschäftigte haben will, wird ihnen mehr bieten müssen als ein gutes Gehalt“ und „Rückendeckung der Vorgesetzten hat höhere Wirkung auf die Gesundheit, als es Rückenschulungen jemals vermögen“.  – mit diesen Sätzen erklärte Kazianka-Diensthuber, was für sie gesunde Führung bedeutet. Anerkennung (Positives hervorheben und nicht Kritik in den Mittelpunkt stellen), Interesse am Mitarbeiter (als motivierendster Faktor – auch Interesse an persönlichen Themen, nach einiger Zeit nachfragen, wenn ein Mitarbeiter von einem Problem erzählt hat, wie es sich entwickelt hat und ob alles gut ausgegangen ist, Präsenz im Team und ansprechbar sein), Kommunikation (verborgene Schätze im Mitarbeiter heben, damit sie/er sich bestmöglich entfalten kann oder auch ehrliche Information über Änderungen die kommen bzw. warum im Moment noch keine Details verlautbart werden können), aber auch direktes Ansprechen von Problemen haben sich als stark motivierende Faktoren in der Praxis gezeigt. Vorgesetzte, die klar sagen, was ihnen wichtig ist, schaffen Vertrauen und geben Sicherheit.  Dadurch wird Stabilität geschaffen, die vor allem in Krisensituationen wichtig ist, was sich auch jetzt in der Corona Situation gezeigt hat und in der MitarbeiterInnenbefragung bestätigt wurde.  

Susanne Bauernfeind, Pflegedirektorin im Wiener Gesundheitsverbund, Pflegewohnhaus Rudolfsheim-Fünfhaus demonstrierte anhand ihres Vorgehens in der Einrichtung, wie man „Führungskräfte für die Langzeitpflege begeistert“.
Speziell im Langzeitbereich ist es wichtig, im Rahmen der Organisation mitzugestalten und im eigenen Bereich kreativen Gestaltungsspielraum zu haben. Um jungen interessierten Mitarbeitenden die Möglichkeit zu geben, langsam in eine Führungsaufgabe hineinzuwachsen und die etablierten Führungkräfte zu entlasten, hat Bauernfeind in ihrer Organisation die Führungsrollen neu definiert. Von den Stationsleitungen wurde vor allem die fachliche Koordination des Tagesablaufes abgezogen, wodurch ihr mehr Zeit für die Stations- und MitarbeiterInnenführung  bleibt. Dafür wurden fachliche Teamverantwortliche installiert , welche die Tagesaufgaben koordinieren. In dieser Rolle können motivierte KollegInnen erste Führungserfahrungen sammeln. Ebenso besteht die Möglichkeit der Leitung eines Fachteams wie dem Wundteam oder dem Palliativteam. Darüber hinaus wird ein individuelles Förderprogramm angeboten sowie ein Praktikum in einem anderen Wohnbereich als Ersatz für die dortige Vertretung der Leitung, um supervidiert in einem neuen Team in eine Leitungsrolle hineinzuwachsen.

„Ohne Kommunikation ist alles nichts – aber nur reden bringt uns auch nicht weiter“

Der Präsident von Lebenswelt Heim, Markus Mattersberger, den wir für den Abschlussvortrag der Veranstaltung gewinnen konnten, zeigte die Wichtigkeit und Bedeutung des gemeinsamen Auftretens der Pflege und die notwendige Unterstützung aller Führungskräfte auf, wenn Reformen gelingen sollen.
Aus seiner Sicht ist es nicht korrekt, von einem Pflegenotstand zu sprechen, da die Pflege für sich keinen Notstand hat, sondern von einem Versorgungsnotstand: Es kann den Menschen in vielen Settings der Pflege nichts mehr angeboten werden. Somit ist das Thema auch nicht allein eine Pflegereform, sondern eine umfassende Reform des Gesamtsystems. Die größte Chance, das zu initiieren liegt in einem gemeinsamen Vorgehen.  Die aktuellen Entwicklungen und Aktivitäten der Motivallianz (Zusammenschluss von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbänden) wurden vorgestellt. Der nächste Schritt:  Mit Bundesminister Mückstein wurde der Start der Pflegereform mit Jänner 2022 festgelegt und dazu sollen alle Stakeholder (Länder, Gebietskörperschaften) eingeladen werden.

Nach all den in den letzten Jahren so im Vordergrund stehenden Themen wie Kosteneinsparung und Qualitäts- und Effizienzsteigerung ist es an der Zeit, vorhandene Kompetenzen, gut funktionierende Beispiele und Stärken bewusst in den Vordergrund zu stellen, um den noch kommenden Veränderungen entsprechend begegnen zu können. Die Bedeutung der Pflege und speziell der Langzeitpflege (stationär und mobil) wird weiter steigen. Vernetzung, Austausch, voneinander lernen und Erfolgsrezepte zu nutzen sind Schlüssel, die zum Gelingen der Veränderungen in eine positive Richtung Wesentliches beitragen können. Struktur- und Rahmenprobleme sind auf politischer Ebene zu lösen. Doch die Themen, die im eigenen Wirkungsbereich jeder Führungskraft liegen und jeden Tag kreativ gelöst werden müssen, das sind auch die Aspekte der Arbeit – wie sich im Führungsbarometer Pflege 2021 klar gezeigt hat - welche die Freude an der Arbeit, den Zusammenhalt im Team und trotz allen Widrigkeiten den Verbleib im System unterstützen.
 
Wenn Sie Ihr Best Practice Beispiel einbringen wollen, Ihre gut funktionierende Lösung in Ihrem Bereich vorstellen möchten und andere auch davon profitieren lassen möchten – bitte kontaktieren Sie uns. Wir freuen uns über Ihre Nachricht unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! oder Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!


Korrespondierender Autor*in:
Alexander Seidl, Geschäftsführer health care communication (www.healthcc.at, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)

Mag. Dr. Annelies Fitzgerald, Leiterin Karl Landsteiner Institut für Human Factors & Human Resources (www.kli-hr.at, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)

 

  DRUCK/PDF

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.