Artikelbild Prüfkompetenz des Unterbringungsgerichts bei Beschränkungen wegen COVID-19

Prüfkompetenz des Unterbringungsgerichts bei Beschränkungen wegen COVID-19
§§ 34, 34a UbG, OGH 28. 4. 2021, 7 Ob 76/21h

Ein auf der Grundlage von § 11 3. COVID-19-Schutzmaßnahmen¬verordnung (COVID-19-SchuMaV, BGBl II 2020/566) angeordnetes Verbot, eine Krankenanstalt (mit bestimmten Ausnahmen) zu betreten, ist aufgrund seines weitreichenden Umfangs nicht bloß als Einschränkung des Rechts des Kranken, Besuche zu empfangen, iSd § 34 Abs 2 UbG zu qualifizieren, sondern als Beschränkung „sonstiger Rechte“ iSd § 34a UbG.

Wie sich aus § 11 3. COVID-19-SchuMaV ableitet, richtete sich die Durchsetzung des Betretungsverbots und der diesbezüglichen Einschränkungen auch an den Betreiber der Krankenanstalt, der entsprechende Vorkehrungen zu treffen hatte. Falls er nicht entsprechend Vorsorge traf, beging er eine Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe und im Nichteinbringungsfall mit einer Freiheitsstrafe sanktioniert war (vgl § 8 Abs 3 COVID-19-Maßnahmengesetz). Anordnungen des Betreibers einer Krankenanstalt in Umsetzung der 3. COVID-19-SchuMaV, insb § 11 leg cit, sind der Krankenanstalt zurechenbare Maßnahmen und unterliegen entsprechend der in § 34a UbG angeordneten Kontrollbefugnis der Überprüfung durch das Unterbringungsgericht.

Weder nach dem EpiG noch nach dem COVID-19-Maßnahmengesetz besteht eine ausdrückliche Zuständigkeit einer Verwaltungsbehörde zur Überprüfung des hier zu beurteilenden Verbots des Betretens einer Krankenanstalt. Weder diese Gesetze noch die 3. COVID-19-SchuMaV schließen eine Überprüfung des Unterbringungsgerichts von Maßnahmen nach § 11 der VO, die zu Beschränkungen von Persönlichkeitsrechten eines Kranken führten ( § 34a UbG), aus.

Die gerichtliche Prüfkompetenz unter dem Titel der Zulässigkeitskontrolle einer „sonstigen Beschränkung“ bezieht sich – auch im Lichte des Art 13 EMRK – auch auf Eingriffe in Rechte, die außerhalb des UbG geregelt (und daher nicht „unterbringungsspezifisch“) sind. Dass § 34a UbG für in Freiheits Seite 215 rechte eingreifende Maßnahmen Beispiele demonstrativ aufzählt, die im Rahmen des Vollzugs der Unterbringung häufig auftreten können, liegt in der Natur der Sache und erlaubt nicht die Schlussfolgerung, nur unterbringungsspezifische Maßnahmen unterlägen der Kontrollkompetenz der Unterbringungsgerichte. Der materielle Prüfungsmaßstab ergibt sich dabei nicht aus § 34a Satz 1 UbG, sondern aus der jeweiligen „besonderen Vorschrift“ (RIS-Justiz RS0126975; 7 Ob 10/11p, SZ 2011/63 = RdM 2011/114, 134 [ Kopetzki]; 7 Ob 107/14g, SZ 2014/66 = RdM 2014/221, 333 [ Kopetzki]).

§ 34a UbG ist als „Auffangtatbestand“ für die nicht in § 33, 34 und 35 ff UbG geregelten Rechte konzipiert. Er ist subsidiär zu besonderen Rechtsvorschriften, in denen festgelegt ist, ob und unter welchen Voraussetzungen in ein spezielles Recht des Patienten eingegriffen werden darf.

Der Revisionsrekurs ist zur Klarstellung des Anwendungsbereichs des § 34a UbG zulässig und iSd Aufhebungsantrags auch berechtigt.
Lesen Sie weiter in  der iFamZ 4/2021: www.lindeverlag.at/ifamz

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