Mehr als ein Drittel aller Demenzfälle könnte verhindert werden, so das Fazit eines Berichts der „Lancet Commission“. 1 Dieses Potenzial auszunutzen, ist angesichts des rasanten Anstiegs von Demenzerkrankungen durch den demografischen Wandel von besonderer Bedeutung.

Weltweit leiden 50 Millionen Menschen an Demenz, davon in Österreich rund 115.000 bis 130.000; bis ins Jahr 2050 werden es Schätzungen zufolge bis 230.000 sein2. In den Ländern der Europäischen Union (EU) wird es dann mehr als 14 Mio. Demenzkranke geben, das sind ungefähr doppelt so viele wie heute. 3

Obwohl oder gerade weil Demenz (noch) nicht heilbar ist, sind Prävention und Früherkennung ausgesprochen wichtig, denn Entstehung und Verlauf sind in großem Umfang beeinflussbar. Das zeigt der aktuelle „Report of the Lancet Commission 2020“ 1: 40% aller Demenzfälle könnten verhindert oder zumindest deutlich hinausgezögert werden, wenn alle Risikofaktoren vermieden bzw. minimiert werden. Die Experten ergänzten die bisher bekannten neun modifizierbaren Risikofaktoren um drei neue: Schädel-Hirn-Trauma, Luftverschmutzung und exzessiver Alkoholkonsum (> 21 Alkoholeinheiten pro Woche). Bereits 2017 wurden folgende Faktoren identifiziert (Reihenfolge nach abnehmender Einflussstärke): Schwerhörigkeit, niedriger Bildungsstand, Rauchen, Mangel an sozialen Kontakten, Depression, Hypertonie, Übergewicht, körperliche Inaktivität und Diabetes mellitus. In der Summe gehen bis zu 40% der Demenzerkrankungen zulasten der genannten Faktoren. 4

Wie die Autoren ausführen, ist es im Leben nie zu spät, mit einer Demenzprävention zu beginnen. Bedeutsam für den Alltag ist der neu identifizierte Risikofaktor Kopfverletzungen (z.B. im Straßenverkehr und im Sport). „Das zeigt, dass Fahrradhelme oder Helme bei bestimmten Risikosportarten einen Schutz vor späteren Demenzerkrankungen darstellen“, kommentiert Prof. Peter Berlit, Generalsekretär der DGN. „Auch der schädigende Einfluss von Alkohol und Luftverschmutzung sollte breit kommuniziert werden.“ 4

Der Lancet-Report geht nicht nur ausführlich auf diese Faktoren und deren Modifizierbarkeit ein, sondern gibt auch Empfehlungen zur Versorgung von Demenzkranken. Angestrebt wird eine ganzheitliche Versorgung, die physische, psychische und mentale Aspekte sowie altersbedingte Begleiterkrankungen einbezieht. Soziale Kontakte, die Versorgung und der Schutz von Demenzpatienten müssen sichergestellt werden, auch um unnötige Hospitalisierungen zu vermeiden. Nicht zuletzt ist die Situation pflegender Angehöriger im Auge zu behalten (z.B. Überforderung, Angst, Depression), denn „Care for family carers“ hat anhaltende Auswirkungen auf deren Lebensqualität und Morbidität. Für den künftigen Umgang mit der Demenzthematik werden öffentliche und auf Risikogruppen ausgerichtete Gesundheitsprogramme sowie individuelle Interventionen gefordert. 4

Dass Demenz nicht nur ein gesundheitliches, sondern ein gesamtgesellschaftliches Problem ist, illustriert die Demenzstrategie – Gut leben mit Demenz im Auftrag des Sozialministeriums. Die Demenzstrategie soll den gemeinsamen Orientierungsrahmen für eine zielgerichtete Kooperation zwischen den Stakeholdern bilden. Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherung sowie zahlreiche Einrichtungen und Organisationen setzen bereits Maßnahmen zur Gesundheitsförderung, Prävention und Versorgung von Menschen mit Demenz.5

Die Wirkungsziele der nationalen Demenzstrategie6

  • Teilhabe und Selbstbestimmung der Betroffenen sicherstellen
  • Information breit und zielgruppenspezifisch ausbauen
  • Wissen und Kompetenz stärken
  • Rahmenbedingungen einheitlich gestalten
  • Demenzgerechte Versorgungsangebote sicherstellen und gestalten
  • Betroffenenzentrierte Koordination und Kooperation ausbauen
  • Qualitätssicherung und -verbesserung durch Forschung

                    

Literatur:
1. Livingston G et al. Dementia prevention, intervention, and care: 2020 report of the Lancet Commission. Lancet Commissions 2020; 396: 413–46
2. Österreichischer Demenzbericht
3. Deutlich mehr Demenzkranke bis 2050
4. Dr. med. Kirsten Westphal, Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN)
5. https://www.demenzstrategie.at/
6. https://www.demenzstrategie.at/Wirkungsziele.htm

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