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von Markus Mattersberger

Geschätzte Leserinnen und Leser der „Lebensweltheim“!

Der Sommer steht vor der Tür und - Gott sei Dank – die COVID-19-Infektionszahlen sowohl in der Gesellschaft als auch in den Alten- und Pflegeheimen sind auf einem konstant niedrigen Niveau.

Dies gibt die Möglichkeit für ein Durchatmen für die vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Führungskräfte der Pflegeeinrichtungen. Apropos Durchatmen – die von der Bundesregierung vorgelegten Öffnungsschritte für fast alle Bereiche werden nun in einem doch sehr hohen Tempo umgesetzt. Der Verzicht auf FFP2-Masken bei diversen Veranstaltungen, Nachtgastronomie, Öffis etc. überrascht doch sehr, vor allem, da man diese für Pflegeeinrichtungen zunächst belassen wollte. Nun ist die dahinterliegende Argumentation nachvollziehbar, da es sich bei den Bewohnerinnen und Bewohnern um die primäre Risikogruppe handelt, allerdings weist auch kaum eine andere Personengruppe vergleichbar hohe Durchimpfungsraten auf. Daher war auch das Unverständnis der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verständlich, da diese doch seit vielen Monaten ihre Arbeit unter verschärften Bedingungen verrichten. Lebenswelt Heim – Bundesverband und seine Landesverbände konnten durch eine gute Medienarbeit auf diese Situation aufmerksam machen – und dieser Einsatz wurde belohnt! Im Bundesministerium ist man vom ursprünglichen Plan abgegangen und die FFP2-Masken für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können durch MNS-Masken ersetzt werden. Ebenso werden die nach wie vor bestehenden Besuchsbeschränkungen aufgehoben und die Bewohnerinnen und Bewohner können wieder mehrere Besuche empfangen – ebenfalls eine Forderung des Bundesverbandes. Natürlich sind diese Maßnahmen auch nicht unumstritten – Stichwort „Delta-Mutation“. Mal abgesehen von den nach wie vor konstant sehr niedrigen Infektionszahlen in den Pflegeeinrichtungen, sollte man dabei jedoch auch die spezielle Situation unserer Bewohnerinnen und Bewohner ebenso berücksichtigen, wie die Belastungen, welche durch das Tragen einer FFP2-Maske für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einhergehen. Ich denke, es ist zudem durchaus ein sehr großer Gewinn für beide Seiten, wenn man auch erkennen kann, dass man sich ein Lächeln schenkt – für viele vielleicht eine Kleinigkeit, die aber gerade in belastenden Zeiten den Unterschied ausmachen und ein Mehr an Lebensqualität bedeuten kann. Sollte die Infektionssituation wieder umschlagen, wird es ebenso angebracht sein, verschiedene Maßnahmen wieder zurückzunehmen – jetzt ist es aber vertretbar und wertvoll, diese Öffnungsschritte zu setzen.

Inzwischen wurde dankenswerter Weise auch der versprochene COVID-19-Bonus beschlossen – positiv formuliert, ein Akt der Wertschätzung, manche halten es auch für ein Trostpflaster für die nach wie vor stillstehende Pflegereform. Nur schleppend geht es damit voran, wenn überhaupt. Mag sein, dass hinter verschlossenen Türen gearbeitet und getüftelt wird, aber wenn das so sein sollte, so werden dabei diejenigen, die schlussendlich mit dem Ergebnis leben und arbeiten sollen, nicht wirklich eingebunden. Dabei drängt sich der Eindruck auf, dass man entweder inzwischen andere Prioritäten hat oder schlichtweg nicht wirklich weiß, wie man die Reform angehen soll. Und dass die Pflege Länderkompetenz ist, machts nicht wirklich leichter. Jedenfalls wird das Problem nicht verschwinden, nur weil es ignoriert wird oder der Kopf weiterhin im Sand steckt. Dabei reiht sich inzwischen Problem an Problem: ein aktuelles Urteil aus Deutschland hinsichtlich Mindestlohn für 24-h-Betreuungskräfte wird auch in Österreich zu Diskussionen bis hin zu Systemveränderungen führen, vielerorts können Pflege- und Betreuungsplätze in Pflegeeinrichtungen nicht mehr angeboten werden, weil das erforderliche Pflege- und Betreuungspersonal fehlt, der zunehmend fehlende niedergelassene ärztliche Bereich, der die tragende Säule der medizinischen Betreuung unserer Bewohnerinnen und Bewohner darstellt, bricht zunehmend weg,… Je länger eine umfassende Pflegereform hinausgeschoben wird, umso größer werden die Problemstellungen – sie müssen aber angegangen werden. Dabei muss sehr offen nicht nur darüber gesprochen werden, wie man es schafft, vermehrt Menschen für Pflege- und Betreuungsberufe zu gewinnen, sondern auch darüber, welche Strukturen wir für unsere älteren Menschen (und zu guter Letzt auch für uns selbst) anbieten wollen. Wir müssen darüber sprechen, mit welchen Kompetenzen die Berufsangehören ausgestattet werden müssen, sodass die Arbeit sowohl bei der Pflege zuhause als auch in stationären Einrichtungen nicht nur attraktiv, sondern auch ohne nennenswerte Reibungsverluste von statten gehen kann – dabei müssen auch berufspolitische Überlegungen und Einflussnahme anderer Gesundheitsberufe hintangehalten werden! Es muss zu einer Veränderung der Sichtweise und der Kompetenzen führen, um das System nachhaltig und leistungsfähig aufzustellen – Change in Competence!

Somit darf bereits auf den gleichlautenden gemeinsamen Kongress des europäischen Dachverbandes EAN – European Ageing Network und Lebenswelt Heim – Bundesverband hingewiesen werden, der vom 28.-30. September 2022 in Wien stattfinden wird. Unter der Headline „Care 4.0 - Change in Competence“ soll Vernetzung stattfinden, aber auch über zukunftsfitte Ideen, Konzepte und Strukturen diskutiert und daran gearbeitet werden. Dabei sind Kooperationspartner aus ganz Europa eingeladen, ihre Best-Practice-Beispiele in Wien vorzustellen, sodass wir lernen und uns weiterentwickeln können. Ich würde mich sehr freuen, auch Sie beim Kongress im September 2022 begrüßen zu können und lade Sie sehr herzlich ein, auch Ihre Erfahrungen und Ihr Know-how einzubringen.

Mit den besten Wünschen für einen erholsamen Sommer!
Markus Mattersberger

Markus Mattersberger, MMSc MBA
Präsident Lebensweltheim Bundesverband
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