Artikelbild Corona - und was es mit uns macht

von Monika Honeder

Seit März 2020 ist die Welt - meine Welt - eine andere geworden. Ich bin ein sehr herzlicher Mensch, drücke meine Sympathien auch durch Umarmungen aus. Meinen Job liebe ich aus vielen, vielen Gründen sehr.

Einer davon war es, dass wir in unseren Häusern zum Leben immer viele Veranstaltungen boten, auch Tanzveranstaltungen und die Begegnungen mit den Bewohner*innen und den Gästen, die zu diesen Veranstaltungen kamen, haben nicht nur mein berufliches Leben bereichert. Sie waren auch für mich als Mensch wertvoll, interessant, lehrreich.

Seit geraumer Zeit geht das jetzt alles nicht mehr. Wir begegnen uns maskiert. Und mit gehörigem Abstand. Begriffe wie "lockdown", "contact-tracing", "social distancing" haben in unsere Sprache Einzug gehalten. Wohl sehr bewusst sprechen wir das in Deutsch nicht aus, in Englisch klingt das alles weicher und harmloser, als es in Wirklichkeit ist.

In diesen vergangenen Monaten ist die Welt nicht nur einmal eine andere geworden - der ersten "lockdown" war anders. Er war einerseits ehrlicher und er war andererseits hoffnungs-stiftender. In den vergangenen Tagen habe ich hautnah erlebt, wie es ist, "down gelockt" zu sein, "social distancing" zu erleben und "cotanct getracet" zu werden. Ich habe erlebt, wie es sich anfühlt, eine Diagnose einer Krankheit zu bekommen, die die gesamte Welt (!) seit Monaten beherrscht. Die mediale Welt, die politische Welt, die wirtschaftliche Welt, die kulturelle Welt, einfach alles. Du siehst auf den Teststreifen und siehst zwei Streifen, wo doch nur einer sein sollte. Und du hörst plötzlich alles viel lauter. Und alles ist gleichzeitig wie eingefroren. Du klammerst dich an die Hoffnung, dass diese Schnelltests so oft so falsch sind. Und spürst tief drinnen. Dein Ergebnis ist richtig. Und dann wartest Du. Auf das Laborergebnis. Und dann kommt der Anruf einer Behörde. Die Frau am anderen Ende der Leitung ist einfühlsam. Sie ist nett. Und trotzdem bringt das Gespräch mit ihr dieses Brennen in der Magengrube und die aufsteigende Übelkeit nicht weg. Und das Sausen in den Ohren wird lauter. In meinem Job hab ich das oft und oft beobachtet, mit "erlebt". Falsch, man "erlebt" nichts mit, bis man es nicht tatsächlich selbst erlebt.

Dann bekommst Du einen "Absonderungsbescheid". Du bist abgesondert. Und Du sollst einen Fragebogen ausfüllen. Mit wem Du wann wo in den letzten 48 Stunden gewesen bist. Meine ersten Gedanken sind bei meiner Mutter, bei meinen Kindern, meiner Tante, meinem Onkel, meinen Freunden. Die Kontakte liegen länger als 48 Stunden zurück. Trotzdem. Was, wenn ich sie angesteckt habe. Im Kopf weiß ich, dass es ein Unsinn ist, die "Schuldfrage" zu stellen. Im Herzen und im Bauch fühlt es sich anders an.

Die ersten zwei Tagen rauschen durch. Am dritten Tag läutet es an der Haustür. Zwei Beamte. "Wir müssen nachsehen, ob Sie zu Hause sind!" Und: "Ihren Ausweis, bitte!" Ich antworte: "Einen feinen Job habt Ihr da, meine Herren!" "Den haben wir uns nicht ausgesucht, Gnädigste!" Ich: "Doch!" Betretenes Schweigen. Ich weiß schon, dass sie persönlich nichts dafür können, dass ich mich plötzlich sehr "überwacht" und "verfolgt" fühle. So ist das, wenn man "Verordnungen" und "Maßnahmen" vollzieht. Die nächsten Tage ziehen weiter, die Einkäufe werden vor die Tür gestellt und wenn ich in meinen Garten gehe, werde ich das Gefühl nicht los, dass die Nachbarn sich nicht mal zum Fenster rausschauen trauen... Ich weiß, das ist Blödsinn, aber ich fühle mich so. Viele Anrufe, viele WhatsApp, viele E-Mails - klar, sie helfen. Trotzdem fehlen mir die persönlichen Kontakte sehr. Ich liebe unser Haus. Trotzdem möchte ich RAUS!

Keine Ahnung, ob ich einen "milden Verlauf" hatte. Weil ich ja keinen Vergleich habe. Ich weiß nur - ein zweites Mal brauche ich diese Geschichte nicht. Und ich denke an alle Menschen, die auch krank sind. Die sich wie ich wie ein ausgespuckter Kaugummi, der von zwei Lastwagen überrollt wurde, fühlen. Deren Stoffwechsel genau so verrückt spielt wie der Kreislauf. Die plötzlich die Rosenseife in der Wäschelade genauso wenig riechen wie den Suppengeruch in der Küche. Und die genauso wenig wie ich sagen können, ob die Suppe überhaupt nach irgendetwas schmeckt.

Und ich denke an die Menschen, die es nicht schaffen. Und ich denke an die Menschen, die nicht besucht werden dürfen. Und an die Menschen, die in großer Sorge um die Kranken sind, sie nicht besuchen können und halb wahnsinnig werden vor Sorge. Ich denke an die kranken Menschen, die kein Haus, keinen Garten und keinen Ehepartner haben, der bei ihnen ist. Und die dementiell erkrankt sind, die auch ohne Corona nicht mobil sind. Die nun von Menschen begleitet und gepflegt werden, denen sie nicht einmal in die Augen sehen können, weil die eine Schutzbrille aufhaben und die sie auch nicht erkennen, weil die alle gleich aussehen in der Schutzkleidung. Ich denke an sie und bin so froh, jetzt wieder gesund zu sein. Weil ich jetzt noch besser als vorher weiß, was diese Menschen tatsächlich brauchen. Sie brauchen Nähe. Sie brauchen Zuwendung. Sie brauchen uns als Mensch. Und ich bin stolz auf meine Mitarbeiter*innen in den Häusern, die in den vergangenen Wochen genau das für diese kranken Menschen - ja, mit Schutzbrille, ja mit Maske, ja mit Schutzkleidung - getan haben. Sie waren ihnen Nahe, sie haben ihnen Zuwendung geschenkt und sie waren vor allem Mensch. Und sie sind es. In diesem Sinne - #stolzaufpenzing #stolzaufkwp #stolzaufgustavklimt #lovingmyjob und vor allem #lovingmylife

Monika Honeder
Direktorin Kuratorium Wiener Pensionisten-Wohnhäuser
Haus Penzing und Haus Gustav Klimt

 

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