Artikelbild Wie geht es uns?

von Harald Ringer

Wir stecken mitten in der Infektionswelle. Sowohl Bewohner/Innen, als auch Mitarbeiter/Innen waren und sind betroffen.

Auch die Statistik, dass mit ca. 25% Todesfällen bei erkrankten Bewohner/Innen mit einem Alter von über 85 Jahren zu rechnen sei, bewahrheitet sich leider. Aufgrund der Ausfälle von Mitarbeiter/Innen, der geänderten Abläufe und der ständigen psychischen Belastung, kommt das Personal an seine Grenzen.

Wir waren gut vorbereitet. Es gab Katastrophenpläne, exakte Hygienevorschriften, ausreichend Ausrüstung und Quarantänekonzepte. Vieles davon musste jedoch aufgrund der sich überschlagenden Ereignisse wieder abgeändert, neu überdacht und neu organisiert werden. Der Virus verbreitete sich in kurzer Zeit bei Gruppen von Bewohner/Innen, ohne dass ein Ursprung festgestellt werden konnte. Auch unsere vermeintlich gut geschützten Mitarbeiter/Innen infizieren sich immer wieder. Eine Meldung, dass nicht ausreichend schützende Masken seitens des Bundes zur Verfügung gestellt wurden, erhöht die Unsicherheit bei den Mitarbeiter/Innen erheblich.

Hätten wir es besser machen können? Wir sind immer noch überzeugt, dass es natürlich möglich gewesen wäre, dem Virus weniger Möglichkeiten zu geben ins Haus zu kommen. Aber zu welchem Preis? All die dafür notwendigen Maßnahmen, theoretischen Konzepte von diversen Ämtern hätten bedeutet, die Bewohner/Innen wegzusperren, vorab zu isolieren, abzusondern, zu bevormunden, vereinsamen zu lassen, ein Leid zu schaffen, in den letzten Tagen, Monaten ihres Lebens. Vielen Bewohner/Innen war das Risiko bewusst, wenn sie das Haus verließen, Kinder und Enkelkinder getroffen haben, sich dabei wertgeschätzt und als ein Teil der Familie fühlen durften. Unsere Bewohner/Innen haben dieselben Rechte wie jeder Bürger und jede Bürgerin in Österreich und möchten dies auch so Ausleben dürfen.

Wie geht es uns nun wirklich? Mit über 45 infizierten Bewohner/Innen, teilweise bereits wieder genesen und 10 verstorbenen. Knapp 30 infizierten Mitarbeiter/Innen, ebenfalls teilweise wieder zurück im Dienst, aber auch mit dem einen oder anderen doch schweren Verlauf und längerem Krankenstand. Mit infizierten Bewohner/Innen oder solchen die als Verdachtsfall gelten und daher isoliert oder wie die Juristen sagen „abgesondert“ werden müssen. Bewohner/Innen die diese Maßnahme nicht verstehen, an der Tür rütteln und die Arbeit der bisherigen Bezugspflege und Betreuung nachhaltig schädigen werden. Mit dem Abschied nehmen in viel kürzeren Zeiträumen als normalerweise üblich. Mit den vielen Mehrstunden um die Krankenstände zu kompensieren und den Mehraufwand in der Pflege abzudecken. Es geht noch!

Es gibt einiges an Unterstützung. Sei es durch ein mobiles Team, welches uns bei der Testung von Bewohner/Innen unter die Arme greift, oder auch telefonische Unterstützung und Information von einer Sachbearbeiterin vom Amt der Tiroler Landesregierung. Der Austausch unter den Heimen, mit Ideen und weiteren Lösungsansätzen bewährt sich immer wieder. Der Rückhalt der Stadtleitung und das Verständnis der Angehörigen stärkt uns in unserem Tun.

Es gibt aber auch viele Hürden. Bewohner/Innen müssen laufend gemeldet werden, damit sie „bescheidet“ werden können. Viel Zeit muss aufgewendet werden um der Bürokratie Genüge zu tun, Statistiken zu befüllen, immer wieder neue Richtlinien zu lesen, zu erörtern, als nicht realistisch ad acta zu legen. Zeit, welche für die Betreuung, Organisation und für Mitarbeiter/Innen verwendet werden sollte. Warum nicht auf einfachere Strukturen, oder solche die es bereits seit langem gibt, zurückgegriffen wurde, ist nicht nachvollziehbar. Zuständigkeiten von Behörden und dem Coronazentrum sind nicht eindeutig geregelt oder nachvollziehbar. Telefonisches Contacttracing bei Bewohner/Innen erscheint absurd, wenn man die Struktur, die Grunderkrankungen und eine Kenntnis vom Zusammenleben mit Demenzerkrankten Menschen hat. Das Mobiltelefon eines Heimleiters läutet 24 Stunden, 7 Tage die Woche, oftmals nur für Behörden, welche ihre Excel Liste ausgefüllt sehen möchten. Die vermeintliche Unterstützung wird vermehrt zur Belastung, die Auskünfte an Mitarbeiter/Innen widersprüchlich. Es gibt aber auch Lichtblicke in Form einer zuständigen Mitarbeiterin der Bezirkshauptmannschaft, welche die Individualität von Pflegeheimen versteht und ebenfalls für Rückfragen rund um die Uhr erreichbar ist.

Wir halten zusammen, gehen an unsere Grenzen und werden es auch schaffen, wenn man uns lässt. Vielen Dank an das Personal – ihr leistet derzeit großartiges.

Harald Ringer
Heimleiter im Seniorenheim Wörgl
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