Artikelbild True Leadership: Führung in Extremsituationen

von Ingo Hamm, Wolf-Bertram von Bismarck
Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG (9. November 2020)

Von Beispielen für Führung in Extremsituationen können wir alle lernen: für den Führungsalltag, aber auch für die extremen Führungssituationen. Höher als in diesen Grenzsituationen kann die Anforderung an Führung nicht sein. Stärker kann man nicht führen.

Und an dieser Grenze noch voll da zu sein, unter Druck richtig zu agieren, das Richtige zu tun, das Team mitzunehmen und die Herausforderung mit Bravour und Applaus zu meistern – darum geht es in diesem Buch. Dabei sei bereits an dieser Stelle eine unserer faszinierendsten Erkenntnisse dieses Buches vorweggenommen: Führung beinhaltet beide Aspekte; führen – sich und andere. Es wird nicht immer »nur« ein Team geführt, sondern oft genug und meist zuerst eine einzige Person. Jede wahrhaft exzellente Führungskraft führt zuerst sich selbst exzellent. Führung ist erst mal Selbstführung.

Nur wer sich exzellent führt, kann auch andere zum Erfolg führen.

Aus dem Training eines Extremschwimmers
»Im Trainingslager auf Mallorca bin ich dann absichtlich mitten in einen Quallen-Schwarm reingeschwommen – und dann weitergeschwommen, mit den Nesselschmerzen. Das tat zwar höllisch weh. Aber ich wollte selber erleben, ob das geht. Und das bereits im Training und nicht erst, wenn das ganze Projekt auf dem Spiel steht. Eines kann ich danach sagen: Man gewöhnt sich nie daran! Darum ging es bei dem Selbstversuch vor Mallorca auch nicht, sondern: Es ging darum, mir den Schrecken zu nehmen. Jedes Mal ist genauso schlimm wie beim ersten Mal. Aber ich habe dabei die Riesenüberwindung trainiert, die nötig ist, um durch so einen Schwarm hindurchzuschwimmen und mit zusammengebissenen Zähnen weiterzuschwimmen, nicht aufzugeben.«

Eine Übung, die man angesichts der in vielen Unternehmen vorherrschenden Entscheidungsarthrose manchen Verantwortlichen empfehlen möchte. Wer gelernt, nein, wer trainiert hat, den inneren Schweinehund zu überwinden, wird entscheidungsstark.

Aus dem Alltag eines Piloten
Ein Flieger ist zum Beispiel im Anflug auf Frankfurt. Das Wetter ist ziemlich übel, der Sprit wird langsam knapp – sitzt der Pilot das schlechte Wetter für zehn Minuten aus und hofft auf eine Wetterberuhigung? Oder gibt er den Versuch gleich auf, wegen Aussichtslosigkeit, und weicht nach Stuttgart aus? Das sind die falschen Fragen. Denn weder wartet der Pilot ab, noch weicht er aus. Er stellt vielmehr – Prinzip Redundanz, zwei wissen mehr – die Frage in den Raum: »Also bei diesem miesen Wetter eine saubere Landung – sollen wir abwarten? Oder besser gleich ausweichen?« Das ist fantastisch. Denn da weiß jeder: Wer hier den Boss markiert, kann recht schnell ein paar Dutzend Leben auf dem Gewissen haben. Wenn es wirklich um etwas geht, ist Macho-Management ein Erfolgskiller. Im Cockpit wird nicht Selbstherrlichkeit markiert, sondern gefragt und diskutiert. Nicht endlos. Nur so lange, bis die beste Entscheidung gefunden ist.

Aus der Arbeit für Ärzte ohne Grenzen
»Oft habe ich nicht ausreichend Informationen, um eine hundertprozentig gesicherte Entscheidung zu treffen. Und wenn ich dann neue Informationen bekomme, kann ich mich zwar von anderen kritisieren lassen, die müssen aber auch berücksichtigen, wie, wann und mit welchem Informationsstand die ursprüngliche Entscheidung getroffen worden ist. Diese Reflexion ist wichtig, um zu verstehen, was sich verändert hat und was das für uns heißt. Dann muss und werde ich auf Basis der neuen Information eben neu entscheiden.« Dabei gilt immer: »Keine Entscheidung garantiert hundertprozentigen Erfolg. Also entscheide ich nach Informationslage und überlege gleichzeitig, was dabei schiefgehen kann und wie ich dann reagieren kann.« Also: Kein Blaming, keine Schulddebatte, keine Wer-hat-das-verbockt-Safaris.

 

DRUCK/PDF

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.