Artikelbild Erste Ergebnisse der Pflegereform in Österreich und weitere Schritte

von Alice Edtmayer

Im Jahr 2020, dem „Jahr der Pflege“, wurde unter Gesundheitsminister Rudolf Anschober der erste Schritt für eine umfassende Pflegereform gesetzt: die „Taskforce Pflege“.

Im ersten Abschnitt lesen Sie etwas über den Prozess an sich und wie es jetzt weitergeht. Anschließend werfen wir einen genaueren Blick auf die Rückmeldungen der Pflegekräfte in der Online-Befragung.

Der Prozess „Taskforce Pflege“
Am Beginn des Prozesses stand eine offene Online-Befragung, in welcher sich alle Menschen in Österreich zu Themen rund um Pflege und Betreuung einbringen konnten. 3.344 Personen nutzten die Möglichkeit: pflegebedürftige Menschen selbst, ebenso wie pflegende Angehörige, Träger von Einrichtungen, Gesundheitsberufe und viele mehr beteiligten sich. Die größte Gruppe der Teilnehmer/-innen waren die Pflegekräfte. Rund 1350 Personen, die selbst in der Pflege tätig sind, haben rückgemeldet.

Am 20.10.2020 fand dann eine Fachtagung statt, an der sich mehrere hundert Menschen beteiligten. In Untergruppen wurde hier zu 5 Themen diskutiert:

  • Verlässlichkeit in der Pflege und Sicherheit des Systems
  • Einsamkeit mindern und das Miteinander fördern
  • Pflegekräfte wertschätzen, auch finanziell
  • Entlastung für pflegende Angehörige schaffen und Demenz begegnen
  • Vorausschauend planen und gestalten


Parallel zu den ersten beiden Schritten war Gesundheitsminister Anschober im Rahmen seiner „Dialogtour zu Pflege, Soziales & Gesundheit“ quer durch Österreich unterwegs und sprach mit Betroffenen, Mitarbeitenden in der Pflege und Betreuung, NGOs und vielen anderen.

Die vierte Säule des Starts der Pflegereform bildet die Expertise aus dem Gesundheitsministerium, aber auch zahlreiche Studien, Stellungnahmen und Positionspapiere von verschiedenen Organisationen wurden analysiert und synthetisiert.

Basierend auf den Erkenntnissen dieser vier Teilbereiche sollen nun bis Jänner 2021 die Eckpfeiler für eine Bund-Länder-Zielsteuerungskommission vorliegen (vgl. Abb. 1).


Abbildung 1: Bausteine im Prozess „Taskforce Pflege“
 
Quelle und Darstellung: BMSGPK


Rückmeldungen der Pflegekräfte im Rahmen der Online-Befragung
Doch zurück zum ersten Schritt, der Online-Befragung. 1348 Personen haben angegeben, dass sie selbst Angehörige eines Pflegeberufs sind. Es wurde nicht abgefragt, um welche Berufsgruppe genau es sich handelt – viele haben das jedoch im Freitext ergänzt. So fanden sich neben Pflegeberufen auch Personen aus der Fach- und Diplomsozialbetreuung unter den Rückmeldenden. Auch kann nicht ausgewertet werden, in welchem Bereich (Krankenhaus, Pflegeheim etc.) die Pflegepersonen arbeiten, da dies nicht abgefragt wurde.

Die Pflegekräfte haben sich neben der Frage zu ihrem eigenen Beruf teilweise auch zu den anderen Themenfeldern (Angebote für Pflegebedürftige, pflegende Angehörige, Finanzierung) geäußert. Diese Rückmeldungen werden hier nicht abgebildet, sind aber in Form einer Zusammenfassung aller Antworten unter https://goeg.at/taskforce_pflege zu finden. Auch möchte ich noch darauf hinweisen, dass der Befragung ein qualitatives Design zugrunde lag – Quantifizierungen sind also nicht möglich.

Also, was sagen Österreichs Pflege- und Betreuungskräfte?
Vorab – es kamen viele Rückmeldungen über die Liebe zum Beruf und die sinnstiftende Art der Arbeit. Viele können sich keine andere Tätigkeit vorstellen und empfinden die Arbeit als bereichernd und erfüllend. Da aus Sicht der Pflegepersonen durch die Pflegereform auch etwas für die Berufsgruppe „weitergehen“ soll, fokussiert diese Darstellung hier aber auf die gegenwärtigen Herausforderungen und Verbesserungsvorschläge. Diese konnten 3 Themenbereichen zugeordnet werden:

  • Attraktivierung der Berufsbilder
  • Verbesserung der Rahmenbedingungen im Beruf
  • Ausbildung


Attraktivierung der Berufsbilder

Die Befragten haben viele Anregungen eingebracht, wie die Berufe attraktiver werden können. Viele wünschen sich etwa eine professionelle Imagekampagne, die das Wesen und die Vielfalt der Pflegeberufe realistisch abbildet. Ein erster Schritt in diese Richtung wurde vom Sozialministerium bereits gesetzt.

Pflegekräfte wünschen, sich einerseits auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren zu können (Pflegeprozess, aber auch Beratung, Gesundheitsförderung etc.). Die - nicht unbedingt gewünschte - Übernahme von ärztlichen Tätigkeiten und damit Mehrbelastung und Mehrverantwortung sollte sich zumindest im Gehalt abbilden. Gleichzeitig sollen §15-Tätigkeiten sinnvoll umgesetzt werden können; so ist es z.B. in der mobilen und stationären Langzeitpflege zwar gesetzlich erlaubt, dass DGKP i.v. Flüssigkeit substituieren oder harnableitende Systeme wechseln, in der Praxis wird es aber häufig nicht ermöglicht. Auch §15a, die Weiterverordnung von Medizinprodukten, wird derzeit nicht gelebt. Ein weiterer Wunsch besteht nach Kompetenzerweiterung z.B. im Hinblick auf das Wund- oder Inkontinenzmanagement, wie die Möglichkeit der Erstverordnung des Materials durch DGKP.

Neben ärztlichen Tätigkeiten übernehmen Pflegekräfte aller Qualifikationsstufen auch immer noch Tätigkeiten anderer Berufsgruppen (z.B. Sekretariat, Service, Hauswirtschaft). Mehr administratives und hauswirtschaftliches Zusatzpersonal könnte eine Umsetzung eines sinnvollen Skill & Grade Mix fördern, der gleichzeitig ein ganzheitliches Handeln für jede einzelne Pflegeperson ermöglicht und die drohende Zersplitterung in einzelne Tätigkeiten und Handgriffe verhindern kann. Zudem wollen DGKP nicht weg vom Bett in eine „Schreibtischrolle“ gedrängt werden. Einen kompetenzorientierten Einsatz wünschen sich auch die Vertreter/-innen von Sozialbetreuungsberufen; so sollen z.B. Fachsozialbetreuer/-innen mit dem Schwerpunkt Altenarbeit auch als solche eingesetzt und nicht auf die Tätigkeiten der PA reduziert werden.

Als weiterer Schritt zur Attraktivierung des Berufes wird das Schaffen von Karrieremöglichkeiten innerhalb der Pflege (abseits von Management und Pädagogik) gesehen, ebenso wie breitere Möglichkeiten von lebensphasengerechtem Arbeiten. Hier wird etwa die Implementierung von ANP und Community (Health) Nurses genannt.

Verbesserung der Rahmenbedingungen im Beruf

Als wichtigste Stellschraube zur Verbesserung der Rahmenbedingungen in der Ausübung des Berufs wird ein Mehr an Pflegepersonal genannt. Die Pflegekräfte wünschen sich, durch mehr eingesetztes Personal mehr Zeit für die pflegebedürftigen Menschen zu haben. So müssen bei der Berechnung von Personalschlüsseln und Personalbedarfsberechnungen die unterschiedlichen Krankheitsbilder berücksichtigt und Zeit für Beziehungsarbeit und Ressourcenförderung einkalkuliert werden. Planbare Ausfallzeiten (Urlaub, Krankheit, Karenz etc.) sollen ebenfalls berücksichtigt werden. Für Zusatzaufgaben (wie z.B. Praxisanleitung, Führung etc.) soll es eigene Planstellen geben, damit diese nicht „nebenbei“ laufen. Gerade für die Praxisanleitung wird das auch im Bereich der Ausbildung gefordert, da Zeit für eine umfassende Anleitung von Auszubildenden maßgeblich für deren künftige Kompetenz ist.

Ein weiterer Fokus bei der Verbesserung der Rahmenbedingungen liegt im Bereich der Wertschätzung des Personals. Dies umfasst einerseits eine gerechte, der Verantwortung entsprechenden Entlohnung sowie gleiche Bedingungen in den verschiedenen Settings (Krankenhaus, Pflegeheim etc.) und Bundesländern. Bei der Entlohnung sollen außerdem Zulagen für (gesundheitsschädliche und das soziale Leben beeinträchtigende) Nacht- und Wochenenddienste erhöht und Zusatzausbildungen abgegolten werden.

Wertschätzung beschränkt sich aber nicht nur auf Geld: wichtig ist für die Pflegekräfte auch, dass sie in Entscheidungen, die sie betreffen, einbezogen werden. Auch Maßnahmen zur Betrieblichen Gesundheitsförderung oder Sozialleistungen der Organisationen wirken sich auf die empfundene Wertschätzung aus. Eine ausgeglichene Work-Life-Balance z.B. durch Dienstplansicherheit zählt ebenso dazu. Auch wird die strikte Trennung von Arbeitszeit und Freizeit als dringend notwendig gesehen (z.B. Umziehzeiten und Fahrzeiten in der mobilen Pflege als Dienstzeit, Erreichbarkeit in der Freizeit). Ferner wünschen sich die Pflegekräfte aufgrund der hohen Belastungen im Beruf, die gepaart sind mit langen und wechselnden Dienstzeiten, eine Reduktion der Arbeitszeit. Die Vorschläge gehen von einer verringerten Wochenstundenzahl über eine geringere Lebensarbeitszeit bis zu einem höheren Anspruch auf Urlaub. Bei den Umfrageergebnissen fällt auf, dass auf der einen Seite viele Personen explizit 12-Stunden-Dienste wünschen, andere sprechen sich wiederum für kürzere Dienste aus. Mehr Einigkeit herrschte beim Thema Nachtdienst: diesen nicht mehr alleine leisten zu müssen wird als große Entlastung gesehen.

Ein weiterer Schritt zu mehr Wertschätzung und zur Steigerung des Ansehens in der Gesellschaft ist für die Pflegekräfte das Sichtbarmachen der einzelnen Berufsgruppen, der Vielfältigkeit des Berufs und die klare Abgrenzung von Betreuungsberufen wie z.B. den 24h-Betreuungskräften.

Vielfach wurde in der Umfrage auch eine Förderung der Freiberuflichkeit im Gehobenen Dienst gefordert. So sollen etwa Möglichkeiten geschaffen werden, Pflegeleistungen direkt mit den Versicherungsträgern abrechnen zu können.

Ausbildung

Der dritte Bereich, zu dem sich die Pflegekräfte äußerten, ist jener der Ausbildung. Wie in allen Bereichen zeigen sich hier auch konträre Rückmeldungen und Meinungen.

Zur Ausbildung des Gehobenen Dienstes gab es einzelne Forderungen zur Rückführung der Ausbildung in den Sekundarbereich. Begründet wird dies damit, dass durch die Akademisierung vielen Interessierten der Zugang zu einer Pflegeausbildung verwehrt bliebe – wobei hier auf die beiden Ausbildungsmöglichkeiten zur Pflegeassistenz und zur Pflegefachassistenz sowie zu den Sozialbetreuungsberufen vergessen wird. Dem entgegen standen viele Forderungen nach einer schnelleren Überführung des Studiums in den tertiären Bereich sowie dem Ausbau von Masterstudiengängen. Einige Personen sprachen sich für eine Verlängerung des Bachelor-Studiums um 1-2 Semester aus. Für alle Ausbildungen wird verlangt, dass diese kostenlos für die Schüler/-innen und Studierenden sein müssen. Für DGKP aus der Sekundarausbildung wird zudem ein niederschwelliger Zugang zum Erlangen eines Bachelor-Abschlusses gefordert. Auch eine Verbesserung der Durchlässigkeit von PA bis DGKP bzw. die Anrechenbarkeit von Ausbildungen auf Weiterqualifizierung wird häufig angesprochen.

Ein Wunsch von Studierenden der GuKP war, dass auch in der Praxis anerkannt wird, dass das FH-Studium nicht dazu dient, Führungskräfte auszubilden. Dazu zwei Originalzitate aus der Befragung:

  • Ich finde dass PP, die bereits in der Praxis arbeiten, sich nicht darüber klar sind, wie wichtig ihre Rolle ist wenn es um Ausbildung geht. Wenn ich als Student in ein Praktikum gehe und von vornherein abwertend behandelt werde, nur weil ich studiere, dann macht das den Beruf nicht attraktiv für mich. Ich habe immer tolle Rückmeldungen von Patienten bekommen und auch viele PP haben mich gelobt, aber ich schätze ca. die Hälfte hat mich grundlos gemobbt und sogar gesagt ich leiste keine gute Arbeit. Ich habe oft überlegt, das Studium abzubrechen, weil ich immer das Gefühl hatte, ich muss mich besonders beweisen und ich muss erst beweisen, dass ich Pfleger werden will und nicht Leitungskraft. […]“
  • „Ich weiß leider nicht wie, aber es muss was dafür getan werden, dass Bsc Studentinnen nicht von vornherein abgestempelt werden ("wollen eh alle nur Chefs sein", "sind alle inkompetent" – evtl. z.B. durch Kampagne, was die Ziele eines BSc-Studiums sind, nämlich kompetente PP ans Bett zu bringen und nicht, lauter PDL zu zeugen - das ist nämlich die landläufige Meinung unter den "alten" PP.[…] Die Situation mit dem Hass auf die Bachelor Studentinnen nimmt mir oft die Freude am Beruf. “



Ein anderer Bereich, der kontrovers vertreten wurde, ist der Einsatz der PFA. Einerseits kam Zuspruch für diese relativ neue Ausbildung, da PFA besser qualifiziert und somit den Anforderungen in der Pflege besser gewachsen seien. Andererseits bestünde die Gefahr, dass PFA als „billigere Diplomierte“ die DGKP nach und nach ersetzen würden.

Ein weiterer, häufig genannter Aspekt in Bezug auf die Ausbildung sind die Praktika, wo angeführt wird, dass hier unbezahlte Arbeit geleistet wird. Dies sei ungerecht und wirke sich zudem negativ auf die Ausbildungswahl potentiell Interessierter aus. Mehrfach ist der Vergleich mit dem Modell der Polizei gefallen, in dem die Auszubildenden während ihrer Ausbildung bezahlt werden.

Als weiteres Ziel wurde genannt, nicht nur Jugendliche und Schüler/-innen, sondern verstärkt Quereinsteiger/-innen und Erwachsene für eine Ausbildung in der Pflege zu motivieren. Deren Bedürfnisse (z.B. finanzielle Absicherung während der Ausbildung, Wunsch nach berufsbegleitender Ausbildung) werden derzeit unzureichend abgedeckt und dies hindere Menschen, diese Ausbildung zu machen.

Ein aktuelles Thema, dass auch in der Befragung präsent war, ist die angedachte Pflegelehre. Viele Pflegekräfte sprechen sich vehement dagegen aus. Sie sei einerseits eine Überforderung und eine Ausnutzung junger Menschen und andererseits ein Rückschritt in der Professionalisierung der Pflege. Andere Rückmeldungen befürworten die Lehrausbildung aber auch, da dadurch mehr Personen für den Beruf gewonnen werden könnten. In diesem Zusammenhang war auch mehrfach die Forderung nach einem Ausbau von BHS-Modellen bzw. deren Vorzug gegenüber einer Lehre vertreten.

Wie bereits erwähnt, kommt der Praxisanleitung in der Ausbildung eine wichtige Rolle zu. Viele Pflegekräfte melden aber zurück, dass dieser zu wenig Bedeutung zukommt. Die anleitenden Pflegepersonen bekommen dafür weder eigene Ressourcen, noch werden Praxisanleiter/-innen für ihre Zusatzqualifikation bezahlt. Durch eine qualitativ hochwertige Praxisanleitung könnten Schüler/-innen und Studierende aber besser auf die Praxis vorbereitet werden und möglicherweise auch ein Ausstieg aus der Ausbildung bzw. aus dem Beruf in den ersten Berufsjahren verhindert werden.

Neben diesen Schwerpunkten wurden in der Umfrage noch weitere unterschiedliche Aspekte angeführt, wie z.B. Anerkennung und Nostrifizierung, Grundausbildungen in der Kinderkrankenpflege und Psychiatrie, Berufsvertretung, Digitalisierung, Dokumentation, Qualität der 24-h-Betreuung uvm. Das kann hier nicht umfassend dargestellt werden, fließt aber sehr wohl in Analysen zur Pflegereform mit ein.




Alice Edtmayer, BScN, MSc

Gesundheit Österreich GmbH
Abteilung Gesundheitsberufe, Koordination Pflege
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DRUCK/PDF

 

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