Artikelbild Wie? bestimmen Führungskräfte von heute

von Annelies Fitzgerald und Alexander Seidl

Die nächste Generation ist entscheidend für die Entwicklung von Pflegeeinrichtungen der Zukunft

Der Pflegebereich und insbesondere der Langzeitbereich werden in Zukunft noch mehr an Bedeutung gewinnen. Das ist nichts Neues. Wesentlich dafür ist es, junge, engagierte, qualifizierte MitarbeiterInnen zu gewinnen und die schon im Bereich tätigen MitarbeiterInnen zu halten.
Auch das ist hinlänglich bekannt. Dass die derzeitige Fachkräftesituation jedoch österreichweit ein limitierender Faktor in der zukünftigen Entwicklung ist, hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass zwar viele Studien und Berichte dazu verfasst werden, die Umsetzung der Ergebnisse jedoch zu wünschen übriglässt. Trotzdem - wir stehen vor der Herausforderung der steigenden Anzahl von älteren Menschen und vor veränderten Motivationen der jungen Menschen, die die Arbeit in diesem System leisten sollen.


Der Fachkräfteengpass ist - vor allem im Langzeitbereich - kein neues, sondern ein gut bekanntes Phänomen.
Laut Pflegepersonal Bedarfsprognose des Sozialministeriums vom November 2019 ist davon auszugehen, dass allein aufgrund der demografischen Entwicklung bis zum Jahr 2030 im akutstationären und im Langzeitbereich ein zusätzlicher Bedarf von rund 24.700 Vollzeitäquivalenten entstehen wird. Unter der Annahme der jetzigen Teilzeitquoten ergibt dies einen Zusatzbedarf von mindestens 31.400 Pflege- und Betreuungspersonen. Aufgrund von Pensionierungen ist darüber hinaus bis 2030 mit einem Ersatzbedarf von rund 41.500 Personen zusätzlich zu rechnen. Insgesamt ergibt sich daraus eine Summe aus Zusatz- und Ersatzbedarf von rund 72.900 Personen bis zum Jahr 2030 für alle Berufsgruppen. Dabei sind strukturelle Veränderungen wie der Ausbau von Dienstleistungen oder neue Dienste / Einrichtungen bzw. Änderungen im Pflege- und Betreuungsbedarf noch nicht mitberücksichtigt.

Die Arbeitssituation in der Langzeitpflege und -Betreuung ist seit langem auch  Gegenstand von politischen Diskussionen. Vielleicht erinnern Sie sich an die Diskussionsveranstaltung der motiv.allianz.pflege im September 2019 mit VertreterInnen der wahlwerbenden Parteien zur Thematik, was in der nächsten Gesetzgebungsperiode getan werden muss und wie begrenzt die Vorstellung der PodiumsteilnehmerInnen zum Berufsbild Pflege ausgefallen ist.  Auch bezogen auf berufsbedingte Gesundheitsrisiken liegen Kennzahlen aus Krankenkassendaten vor, die hohe Fehlzeiten und neben den Erkrankungen am Muskel- und Skelettsystem auch zunehmende psychische Erkrankungen festhalten. Höhmann et al. 2016 bestätigen einerseits die überdurchschnittlich hohe Arbeitsbelastung in der Pflege – sie verweisen jedoch auch auf Studien, die nachweisen, dass objektive und subjektive Arbeitsbelastungen in der Pflege dabei konstant blieben und nicht zunahmen.

Jüngere sind unzufriedener mit den Arbeitsbedingungen als Ältere
Junge Menschen in den Gesundheitsberufen sind deutlich unzufriedener mit ihren Arbeitsbedingungen als ihre älteren KollegInnen. Dieses Ergebnis ist insofern brisant, als es zeigt, dass der Nachwuchsmangel keineswegs nur darin begründet liegt, dass der Anteil junger Menschen in der österreichischen Gesellschaft insgesamt sinkt. Laut einer Studie der Arbeiterkammer liegt das Problem ganz woanders: Die Arbeitsplätze sind einfach nicht attraktiv genug. Es hapert aus Sicht der jungen Menschen beim Arbeitszeitausmaß, der Dienstplangestaltung, den beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten, der Vereinbarkeit von Familie und Beruf aber auch beim Einkommen.  (5.3.2019, AK Umfrage Gesundheitsberufe: Dringend gebraucht, enorm belastet)

Verschiedenste Maßnahmen, um das Image attraktiver zu machen, die Ausbildungszahlen zu erhöhen oder den Verbleib im Beruf zu fördern, wurden initiiert.
Vorausberechnungen fallen durch unterschiedliche Szenarien sehr verschieden aus – allen gemeinsam ist aber, wenn regional auch unterschiedlich ausgeprägt, dass die Anzahl der benötigten Arbeitskräfte in den Einrichtungen zunehmen wird und die Versorgungslücke steigt.  Die Szenarien unterscheiden sich durch unterschiedliche Annahmen bspw. zur Entwicklung der Pflegeprävalenz, der Dynamisierung der Wirtschaftsstruktur, dem Anteil an erwerbstätigen Personen, der Entwicklung der informellen Pflege, der Technisierung oder auch dem regionalen Ausbau an Pflegeinfrastruktur. (S.d. Pflegethermometer 2019 Deutsches Institut für angewandte Pflegeforschung e.V.)

An sich wird die eigentliche pflegerische Arbeit in vielen Befragungen von den MitarbeiterInnen als abwechslungsreich und sinnvoll erlebt.  
(s.d. auch unsere Erhebung zum Führungsbarometer Pflege)

Das bedeutet, dass die Berufszufriedenheit von der Arbeitsplatzzufriedenheit abgegrenzt werden kann und es stellt sich die Frage, wie hier interveniert werden kann und wie Verbesserungen erreicht werden können. Es sind die Rahmenbedingungen die nicht leicht beeinflussbar sind, aber auch Rahmenbedingungen im eigenen Umfeld und die auf der eigenen Station, im eigenen Bereich doch verändert werden können.

Aktuell ist der neue „Future Health Report 2020“ erschienen - mit bedeutenden Ergebnissen zu den Anforderungen der Zukunft für Gesundheitssysteme.
Um für die nächste Generation von MitarbeiterInnen attraktiv zu sein, um engagierte, motivierte und qualifizierte junge Leute für diesen Beruf und die eigene Einrichtung zu gewinnen und in die Zukunft zu führen, wird es wichtig sein, sich viel stärker mit Themen wie Work-Life-Balance, Flexibilität in der Arbeit, der Kultur der Zusammenarbeit und dem Einsatz von neuen Technologien zu beschäftigen.

Von Work-Life-Balance zu Work-Life-Blending. Und wieder zurück.
Während für die „Generation Y“, also die von ca. 1980 bis in die späten 1990er Geborenen, das Mantra gelautet hatte: Work-Life-Blending statt Work-Life-Balance, dreht sich diese Dynamik in der „Generation Z“, also der ca. von 1997-2012 Geborenen, gerade wieder um.
Der Generation Y wird nachgesagt, sinnerfüllende Arbeit und Freizeit mit einem hohen Maß an sozialer Sicherheit verbinden zu wollen. In den Augen dieser Generation scheint alles eine Frage der individuellen Prioritätensetzung zu sein. Die Omnipräsenz der sozialen Medien und die Rund-um-die-Uhr – Erreichbarkeit haben zu einer Vermischung von Arbeit und Freizeit geführt: Man „checkt“ zuhause übers Smartphone noch schnell die Mails oder macht eine Arbeit fertig, meldet sich dafür auch „in der Dienstzeit“ als Privatperson auf den Sozialen Medien an, erledigt ein paar Anrufe oder möchte Dienstpläne mit Freizeitaktivitäten abstimmen. Arbeit und Freizeit begannen zu verschwimmen. Es ging weniger um die Balance zweier getrennten Lebensbereiche, sondern eine „gesunde Verwebung“ – Das „Work-Life-Blending“ entstand. Die Generation Z (1997 bis 2012 Geborene) wiederum scheint hier genau andersrum zu denken – sie haben erkannt, „dass die Träume der Älteren nur selten Realität werden.“ (Ch. Scholz: Generation Y plus Generation Z, humanressourcemanager.de, 27. August 2018). Deshalb rücken bei den Z-lern wieder traditionellere Lebensmodelle in den Fokus. Für sie ist eine klare Trennung zwischen Arbeit und Beruf wichtig, „Work-Life-Blending“ funktioniert immer schlechter. Die Generation Z präferiert vor allem die Familie, die Arbeit kommt an zweiter Stelle. Diese Sichtweise  hat auch positive Aspekte: Die Arbeitswelt nicht so verbissen zu sehen und gewisse Prioritäten auf Freizeit oder Familie zu legen, kann psychischen Erkrankungen wie z. B Burn Out durchaus vorbeugen.


Der Praxistipp
Führungskräfte sind gefordert, eine neue Art von Personal zu managen, viel stärker unterschiedliche Werte und Einstellungen im Team zu berücksichtigen und mit raschen Veränderungen umzugehen. Je schwieriger und aufwendiger sich die Situation allerdings darstellt, desto wichtiger ist es, einfache, gut funktionierende Werkzeuge als Hilfsmittel zur Verfügung zu haben.
Gerade für die unterschiedlichen Vorstellungen und Ziele empfehlen wir
eine einfache Methode zur Zielsetzung und Problemlösung:


Das GROW-Modell von John Whitmore   
Es ist eines der bekanntesten Coaching-Konzepte, was sicher auch damit zu tun, dass es sehr einprägsam und logisch ist. Für Führungskräfte ist es eine sehr praktikable Struktur, um Mitarbeitende oder auch Mitarbeitergruppen (z. B. im Rahmen eines Jour-Fixes) von einem Problem zu einer Lösung zu führen.

"GROW" - auch das englische Wort für "wachsen" - steht hier für die vier Elemente des Gespräches:

Goals - Reality - Options - Will

Goal
Am Anfang steht oft das Ziel oder zumindest die Zielrichtung, bspw. „Wir wollen als Team besser zusammenarbeiten“. Jeder, der sich mit Zielformulierungen beschäftigt weiß, dass so eine Formulierung noch nicht den Wohlgeformtheitskriterien eines Zieles entspricht. Dennoch gibt es dem Gespräch die Richtung.

Reality
Nachdem geklärt ist, wo es hingehen soll, ist die Frage nach dem „Jetzt-Zustand“: Wie wird die Situation im Team erlebt? Was genau löst das Gefühl „Wir arbeiten derzeit nicht gut zusammen“ aus? Was konkret wird nicht gemacht bzw. innerhalb des Teams von den KollegInnen vermisst? Hier ist es wichtig, alle Punkte, die genannt werden, für alle sichtbar zu machen (z. B. auf einer Flipchart mitschreiben). Am Ende dieses Schrittes sollte sehr klar sein, wo die Probleme liegen. Achten Sie darauf, dass Sie der Problembeschreibung nicht mehr als ca. 10-15% der Gesamtzeit einräumen, damit es nicht in eine „Jammerrunde“ ausartet.

Goal II
Durch die Umkehrung der Probleme haben Sie auch schon die Kriterien zu Ihrem Ziel („Was genau muss im Alltag passieren, damit wir das Ziel „Wir arbeiten im Team gut zusammen“ erreicht haben?). Wenn bspw. eines der aufgeführten Probleme war „Der kurze Dienst hat zu wenig Infos, weil er bei der Dienstübergabe nicht dabei war“ ist die Umkehrung „der kurze Dienst erhält ein Kurzbriefing, wenn er in den Dienst kommt“.

Options
Nun geht es ans kreative Sammeln, wie die einzelnen Punkte in der Praxis umgesetzt werden könnten. Hier haben alle Ideen Raum (Brainstorming), bewertet und beschlossen wird erst im nächsten Schritt. Bezogen auf das Beispiel könnten Ideen kommen wie „Der Hauptdienst trifft sich um X Uhr 5 Minuten mit dem kurzen Dienst und informiert ihn über folgende Punkte:…….“ oder „der kurze Dienst schaut ins Übergabeprotokoll und hat 10 Minuten zu Dienstbeginn Zeit, um sich zu informieren:…“

Will
Nach der Sammlung der Optionen überlegt und bewertet man gemeinsam, welche man jeweils für am Realistischsten hält. Ist der Wille (die Bereitschaft) vom gesamten Team da, diese Möglichkeit umzusetzen? Wenn „ja“, dann wird diese beschlossen und noch festgelegt:

  • Wann starten wir?
  • Was benötigen wir noch dazu? Was ist noch vorzubereiten?
  • Vielleicht auch: Wer ist verantwortlich?
  • Wie halten wir uns auf Kurs und erinnern uns daran?
  • Wann evaluieren wir?


Sollte man im Zuge der Planung draufkommen, dass noch weitere Punkte zu klären sind, hat man schon wieder das nächste Ziel, zu dem man sich überlegt, wie der Stand der Dinge ist, welche Lösungsmöglichkeiten es gibt und welche davon von wem und wie umgesetzt werden.
Das GROW Modell eignet sich wunderbar, um mit dem Team zu arbeiten, ist aber auch im Einzelgespräch gut als „roter Gesprächsfaden“ geeignet, wenn ein Mitarbeitender mit einem Problem zu Ihnen kommt. Bieten Sie nicht Lösungen an (das fördert Unselbständigkeit) sondern machen Sie sich bewusst: Diese/r MitarbeiterIn kommt mit einem Problem, also mit seinem „R“ (Reality) gehen Sie von dort zum „G“ („und was wäre jetzt dein Ziel dabei; wie sollte es sein, wenn es funktioniert?“), weiter zu den „O“ (Was hast du bereits versucht? Was könntest du noch versuchen? Was wären weitere Möglichkeiten?“) und wenn Ideen gekommen sind, kommt die Klärung, ob die Bereitschaft da ist, die beste der Ideen auszuprobieren und ob dazu noch etwas fehlt („W“).




Insgesamt ist das GROW Modell ein guter roter Faden, entlang dessen sich gemeinsam Lösungen bei unterschiedlichen Sichtweisen innerhalb des Teams finden lassen – auch, wenn die unterschiedlichen Sichtweisen der unterschiedlichen Generationen aufeinander treffen.

 

Bedürfnisse ändern sich, Vorstellungen verschieben sich, Innovationen und Technologien werden zunehmend zur Selbstverständlichkeit, aber eines bleibt bei allen Generationen gleich:  

Der Nutzen muss erkennbar sein
Damit rücken vor allem die Fragen nach zeitgemäßen Formen der Kompetenzentwicklung, die Potenziale von interprofessionellen Trainings oder neue Methoden der Vermittlung bei nichtfachlichen Themen ins Zentrum. Diesen Themen werden wir uns in den nächsten Ausgaben von Lebenswelt Heim Online widmen.

Um für Sie einen hohen Nutzen der Beiträge zu bieten und die Themen aufgreifen zu können, die für Sie besonders interessant sind, haben wir für Sie 6 kurze Fragen vorbereitet. Wir freuen uns, wenn Sie sich 3 Minuten Zeit nehmen:  

Online Befragung


Literatur:
Pflegepersonal Bedarfsprognose, November 2019
Studie der Gesundheit Österreich GmbH im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz

Belastungen im Pflegeberuf: Bedingungsfaktoren, Folgen und Desiderate im Pflegereport 2016, Ulrike Höhmann, Manuela Lautenschläger und Laura Schwarz

Umfrage Gesundheitsberufe 2019 der AK Wien : Dringend gebraucht, enorm belastet https://wien.arbeiterkammer.at/umfrage-gesundheitsberufe abgerufen 28.8.2020

Führungsbarometer Pflege in https://healthcc.at/ergebnisbericht-zum-fuehrungsbarometer-pflege-2016/) abgerufen 28.8.2020

Führungsbarometer Pflege 2016, Qualitas 04/16

„Future Health Report 2020“ Ergebnisse zu den Anforderungen der Zukunft für Gesundheitssysteme (https://www.kli-hr.at/2020/08/03/der-philips-future-health-index-2020/ abgerufen 28.8.2020

Ch.Scholz: Generation Y plus Generation Z, humanressourcemanager.de, 27. August 2018
(https://www.humanresourcesmanager.de/news/eine-neue-generation-betritt-den-arbeitsmarkt-die-generation-z.html abgerufen 28.8.2020)

 

Mag.a Dr.in Annelies Fitzgerald, DGKS    
Institutsleitung Karl Landsteiner Institut
Tel.: +43/1/4091833,
Mobil: +43/699 102 99 408,
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www.kli-hr.at


Alexander Seidl
Geschäftsführer health care communication
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www.healthcc.at

 

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