Artikelbild Aktuelle Judikatur zum Heimaufenthaltsgesetz

von Michael Ganner

Zu allgemein gehaltene Meldung

und daher mangelhafte Dokumentation und Verständigung der Bewohnervertretung


§ 6 Abs 2, § 7 Abs 2 HeimAufG
LG ZRS Wien 23. 1. 2020, 43 R 28/20s

Die Formulierung, die Dauermedikation werde „bedarfsorientiert in wechselnder Dosierung“ verabreicht, eröffnet eine freie Handhabung der Medikamentengabe und kann daher schlichtweg nicht beurteilt werden.

Die Dokumentations- und Meldepflicht dient dazu, die spätere Unaufklärbarkeit von Sachverhalten zu vermeiden, weil sie die Ermittlung der im Rechtsschutzverfahren erforderlichen Tatsachengrundlagen erleichtert; diese Verpflichtung dient nicht zuletzt auch der Kontrolle solcher Maßnahmen durch den Bewohnervertreter und das Gericht. Dieser Zweck kann nicht erfüllt werden, wenn eine Meldung zu allgemein gehalten ist. Die Meldung muss den Grund für die Freiheitsbeschränkung in einer Weise anführen, dass beurteilt werden kann, ob die Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Freiheitsbeschränkung im Einzelfall vorliegen (vgl 7 Ob 249/11k).


Unterlagen im Rahmen der geführten Krankengeschichte könnten nur einem gerichtlichen Beweisverfahren unterzogen werden. Dessen Ergebnis kann aber nicht herangezogen werden, um den aufgezeigten Mangel der Meldung auszugleichen.

Anmerkung
Die Verletzung der Verständigungspflicht an die Bewohnervertretung bewirkt die Unzulässigkeit der Maßnahme (RIS-Justiz RS0121228). Es müssen jedenfalls Angaben über Grund, Beginn, voraussichtliche Dauer, Art und gelindere Mittel gemacht werden (Strickmann, Heimaufenthalts¬recht 2 174 mit Verweis auf LG Wels 21 R 131/08a sowie 21 R 163/10k). Dokumentations- und Meldepflicht haben nicht die genau gleiche Seite 173 Funktion. Insbesondere bei einer Medikation muss sich die Dokumentationspflicht, wie bei jeder medizinischen Behandlung, auch an den medizinischen Standards orientieren. Es müssen die berufs- und anstaltsrechtlichen Vorgaben (ÄrzteG, GuKG, allenfalls Landes-PflegeheimG, in Krankenanstalten das KAKuG und das L-KAG) erfüllt werden. Die Dokumentationspflicht ist also idR weitergehend als die Verständigungspflicht. Sie dient aber, ebenso wie die Verständigungspflicht, ua auch dazu, die spätere Unaufklärbarkeit von Sachverhalten hintanzuhalten und Dokumentationsmängel können nicht durch spätere Zeugenaussagen saniert werden.

Die Verständigungspflicht, insb an die Bewohnervertretung, bezweckt die Möglichkeit der grundlegenden Einschätzung, ob die Freiheitsbeschränkung gerechtfertigt sein kann oder nicht. Durch Einsichtnahme in die Dokumentation und durch das persönliche Gespräch mit der betroffenen Person kann und muss diese Erkenntnis bei der Bewohnervertretung allenfalls vertieft werden.


Michael Ganner, iFamZ 3/2020
www.lindeverlag.at/ifamz

 

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