von Gabriele Tupy
Das Wenige, das wir in den Alten- und Pflegeheimen tun können, ist viel!
Die Schreckensnachrichten und Bilder aus Italien, Spanien und Frankreich haben uns alle alarmiert und die greifbare Gefahr durch das Virus Sars-CoV-2 vor Augen geführt: Meldungen von über 80-Jährigen, die nicht mehr beatmet werden konnten, von infizierten MedizinerInnen und Pflegepersonen, die weiter an Coronavirus-PatientInnen arbeiteten, schockierten uns sehr. Für uns in den Alten- und Pflegeheimen Österreichs bedeutet dies, alles zu tun, um ähnliche Situationen nach Möglichkeit zu verhindern. Wie können wir unsere BewohnerInnen bestmöglich schützen? Denn sie sind Hochrisikogruppe.
Bis jetzt ist weitgehend alles gut gegangen und hoffentlich bleibt es weiterhin so! Die raschen Maßnahmen der Bundesregierung haben eine starke Ausbreitung der Pandemie in Österreich bisher gut verhindert. Seit Mitte April wird nun auch in den Alten- und Pflegeheimen getestet. Denn fehlende Tests machten uns in den ersten Wochen ernsthafte Sorgen – Spitäler, die ihre Betten freimachen wollten für Corona-PatientInnen und daher alte Menschen in unsere Heime übersiedelten – ohne kurzfristig davor getestet zu haben. Dabei hatten wir unsere Heime zu diesem Zeitpunkt längst geschlossen – kein Besuch mehr von Angehörigen, keine Ehrenamtsteams mehr in den Häusern, keine Schulen und Kindergärten, die unsere alten Menschen sonst regelmäßig besuchen! Alle Anstrengungen waren von Anfang an darauf ausgerichtet, das Virus Sars-CoV-2 nicht in unsere Häuser zu tragen.
„Im palliativen Bereich machen wir Ausnahmen, zur Verabschiedung der Angehörigen sind unsere Häuser selbstverständlich nach wie vor offen. Insgesamt ist die Belastung enorm. Da ist die Unruhe der BewohnerInnen, da keinerlei Besuche mehr stattfinden und auch die Sozialkontakte zwischen den BewohnerInnen derzeit eingeschränkt sind. Das Pflegepersonal muss mehr denn je auch den psychosozialen Bereich abdecken!“, berichtet Martin Wieczorek, Direktor im NÖ Pflege- und Betreuungszentrum Pottendorf.
Doch wie schützt man die uns anvertrauten alten Menschen, wenn in den meisten Häusern zu wenig Schutzausrüstung und Desinfektionsmittel zur Verfügung stehen? Mehr denn je fehlt uns auch ausreichend Personal. Die Pandemie deckt schonungslos Systemschwächen auf. Was uns in den Heimen bisher möglich war zu tun, haben wir getan: informieren, die Prozesse auf die Krise ausrichten, MitarbeiterInnen vorbereiten und schulen (zB Hygiene, …), Personaleinsatzpläne auf die aktuelle Situation anpassen und nicht zuletzt: unzählige Gespräche führen, BewohnerInnen begleiten und alternative Kontaktformen zu Angehörigen suchen zB via Skype per Tablet. Denn wie erklärt man BewohnerInnen und Angehörigen, dass sie nun Abstand halten müssen, dass Besuche derzeit nicht möglich sind? Die verbleibende Lebensspanne ist ja oftmals nicht mehr so lang, das Bedürfnis zusammen zu sein, umso größer.
Das Wenige, das wir angesichts einer Pandemie in den Alten- und Pflegeheimen tun können, ist viel!
Aus nahezu allen Bundesländern hören wir von einer Verunsicherung des Personals, der enormen Belastung und dem dringenden Bedarf nach einer umfassenden, präventiven Ausstattung mit Schutzkleidung, denn „schutzlos können wir nicht schützen“. Bemüht ist man in den Häusern auch darum, dass die MitarbeiterInnen, soweit möglich, jeweils nur in einem abgegrenzten Bereich tätig sind, um bei einer eventuellen Infizierung Isolationsmöglichkeiten zu haben. Auch pensionierte Mitarbeiterinnen werden angerufen, ob sie im Fall der Fälle den Dienst antreten könnten.
„Bei uns herrscht zum großen Teil noch (gespannte) Ruhe in den Alten- und Pflegeheimen. Doch die Sorgen und Fragen – z.B. wo bekomme ich benötigtes Schutzmaterial her? – beschäftigen die Verantwortlichen der Heime. Unverständnis gab es, weil sich viele Heime anfangs alleingelassen fühlten. Dies galt in den ersten Wochen für fast alle Bundesländer. Von den Behörden erwarten wir uns Antworten und Unterstützung, z.B. Testungen der BewohnerInnen und MitarbeiterInnen, klare Vorgaben und Richtlinien bei einer (schrittweisen) Lockerung des Besuchsverbotes in den Alten- und Pflegeheimen, usw. “, berichtet Martin König, Geschäftsführer der SoNe Soziales Netzwerk GmbH aus Oberösterreich.
„Wir freuen uns, dass wir rund 20 kleineren Heimen und Einrichtungen mit Schutzmaterialien aushelfen konnten, Filme zur Anwendung gedreht haben und Hygienerichtlinien für alle veröffentlichten. Nur im Zusammenhalt und in unserem Netzwerk bestehen wir diese Krise, jeder gibt sein Bestes!“, so Gerd Hartinger von den Geriatrischen Gesundheitszentren der Stadt Graz.
Stephanie Putz vom Landesverband Altenpflege Steiermark bemerkt, dass mit zunehmenden Infektionsfällen in der Steiermark MitarbeiterInnen und BewohnerInnen nervöser werden – ‚Was bedeutet das für mich? Wann muss ich in Quarantäne?‘. Es brauche daher viel Information und Aufklärungsarbeit, weil Medienberichte teilweise missverstanden oder fehlinterpretiert würden.
„Der Großteil der Heime hat ihre Dienstpläne umgeschrieben, um für Notfallszenarien vorbereitet zu sein“, berichtet Josef Berghofer, Obmann der ARGE Burgenland. Er forderte von Beginn an klare Richtlinien der Behörde – eventuell eine Hotline für Österreich für diesen hochsensiblen Bereich der Heime, Personalpools für den Fall der Fälle sowie eine effektive Vernetzung, gegenseitigen Wissenstransfer und Wiederermöglichung von Besuchen unter gewissen Bedingungen und Vorsichtsmaßnahmen.
Der Bundesverband Lebenswelt Heim hat sehr schnell eine Corona-Seite im Mitgliederbereich auf seiner Webpage eingerichtet – mit Handlungsempfehlungen, Hygienemaßnahmen und Erfahrungsberichten, um die KollegInnen in den Bundesländern zu unterstützen. „Wir haben enorme Zugriffe“, berichtet Markus Mattersberger, Präsident des Verbandes.
Eine erfreulich positive Rückmeldung kommt von Ursula Fischer, Obfrau des Landesverbandes Heim- und Pflegeleitungen Vorarlberg (LHPV): „Es gibt eine sehr gute Unterstützung des Fachbereiches Senioren und Pflegevorsorge der Abteilung Soziales und Integration, regelmäßige Absprache mit uns, der Hauskrankenpflege, dem mobilen Hilfsdienst und den Krankenhäusern. Wir sind in alle Aussendungen involviert und bei der Beschreibung dabei. Die Zusammenarbeit ist sehr gut!“ Ein Beispiel, das für viele andere Länder Vorbild sein sollte!
Was diese Pandemie unseren ältesten Mitmenschen antut? Sehr viel, denken wir. Da ist die Angst vor dem Virus, die Unsicherheit, weil es in den Heimen keine Besuche mehr gibt, die Sorge um ihre Familie und wohl auch Angst, dass dieser Albtraum ihre eigene Lebensspanne überdauern könnte. In unseren Pflegeheimen lebt ein sehr hoher Anteil an BewohnerInnen mit kognitiven Beeinträchtigungen. Quarantäne oder Absonderung in einem Klinikum lässt sich relativ leicht realisieren, wie aber macht man kognitiv beeinträchtigten Menschen die Notwendigkeit der aktuellen Einschränkungen verständlich? Wie funktioniert ein Abgehen vom Gewohnten hin zu Einschränkungen ohne gleichzeitig Ängste auszulösen? Nicht nur, aber gerade in solchen Situationen zeigt sich die Professionalität in der Arbeit mit älteren Menschen. Gerade diese andere Form der Professionalität ist nun maßgeblich und besonders wertvoll – von Pflege zu Care!
Was wir mit Sicherheit sagen können: Wir tun in unseren Heimen alles, um bestmöglich mit der Situation umzugehen und Ängste, soweit möglich, zu nehmen. Franziska Atzmüller, Seniorenbetreuerin im Seniorenzentrum Schloss Liechtenstein erzählt „Wir senden mit unseren BewohnerInnen Videobotschaften an ihre Angehörigen – und sie erhalten sehr berührende Videobotschaften zurück“. „Mittlerweile werden bei uns täglich Geschenke für die BewohnerInnen abgegeben und wir schreiben mit den BewohnerInnen Briefe an die Angehörige“, freut sich auch Michael Possegger, Pflegedienstleiter Haus Elisabeth der Caritas Kärnten, es den BewohnerInnen etwas leichter machen zu können. Karin Steinberger von den Magistratshäuser in Salzburg berichtet, dass die Betreuungs- und Pflegekräfte aufgrund der wegfallenden Besuche in den Häusern zusätzliche Angebote für die Freizeitgestaltung der BewohnerInnen erstellt haben. Die Terrassen wurden bereits sehr früh mit Sitz-und Aufenthaltsmöglichkeiten ausgestattet, um einen Aufenthalt im Freien zu ermöglichen und die Ergotherapie arbeitet mit BewohnerInnen bei den Hochbeeten im Garten.
„Das Wenige, das du tun kannst, ist viel…“ (Albert Schweitzer)
Gabriele Tupy
imzusammenspiel kommunikationsmanagement
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