Artikelbild OECD-Studie: Österreichs Pflegekräfte besonders belastet

von APA, Redaktion Gabriele Tupy

Die Pflegekräfte in Österreich sind im internationalen Vergleich besonders belastet. Dies geht aus einer am 22. Juni 2020 veröffentlichten Studie der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hervor.

35 Prozent von ihnen berichten von Gesundheitsproblemen im Zusammenhang mit ihrer Arbeit, während es im OECD-Schnitt nur 15 Prozent sind. Einzig in Finnland ist der Wert höher.

In Spanien geben hingegen nur sieben Prozent der Pfleger*innen an, dass sie in den vorangegangenen zwölf Monaten ein auf ihre Arbeit bezogenes Gesundheitsproblem hatten. Allgemein sind Pflegekräfte höheren Gesundheitsrisiken ausgesetzt als Arbeitskräfte in anderen Sektoren, heißt es in der Studie mit Blick auf eine Untersuchung in den EU-Staaten. In dieser berichteten lediglich 7,9 Prozent aller Beschäftigten von gesundheitlichen Problemen im Zusammenhang mit ihrem Job.

LTC-Jobs gehören zu den körperlich und geistig anspruchsvollsten

Ebenfalls einen Spitzenwert belegt Österreich, was Risikofaktoren am Arbeitsplatz betrifft. Rund 90 Prozent der heimischen Pfleger*innen sagten, dass sie bei ihrer Arbeit einem solchen ausgesetzt seien. Dies ist der dritte Platz hinter Frankreich und der Schweiz. Der OECD-Durchschnitt liegt hier bei 64 Prozent. Explizit führen die Forscher*innen auch eine österreichische Untersuchung an, bei der 68 Prozent der Befragten sagten, dass sie nach einem Arbeitstag erschöpft seien.

Pflegearbeit ist anspruchsvoll und der LTC-Sektor leidet unter hohen krankheitsbedingten Fehlzeiten. Mehr als 60% der LTC-Beschäftigten geben in den OECD-Ländern an, bei der Arbeit physischen Risikofaktoren ausgesetzt zu sein (Abbildung 1.8). Unter den körperlichen Gesundheitsproblemen sind solche, die mit Erkrankungen des Bewegungsapparates zusammenhängen, wie Rückenschmerzen beim Heben von Patient*innen und während der Versorgung über ein Bett beugen, weit verbreitet.

Rund die Hälfte (46%) der LTC-Beschäftigten empfindet einem hohen psychischen Stress ausgesetzt zu sein z.B. durch stressiges Verhalten von Pflegebedürftigem insbesondere von Menschen mit Demenz, die möglicherweise aggressives Verhalten zeigen. Viele erleben auch starken Zeitdruck, Arbeitsüberlastung und eingeschränkte Möglichkeiten, ihre beruflichen Fähigkeiten und Kenntnisse einzusetzen. Die Tatsache, dass Pflegekräfte häufig für viele zu Pflegende zuständig sind und ihnen je zu betreuender Person nur eine begrenzte Zeit zur Verfügung steht, führt zu einem Gefühl der Frustration und Überlastung. Außerdem fehle immer wieder die autonome Entscheidungsmöglichkeit, die Bedürfnisse der zu Pflegenden zu erfüllen. Belastend werden auch hohe Verwaltungs- und Berichtspflichten erlebt. In einer Reihe von Ländern wurde die Pflegearbeit zunehmend standardisiert, was zu einem höheren Verwaltungsaufwand und einem Gefühl, die Kontrolle zu verlieren, führte.

Figure 1.8. Numerous physical and mental risk factors at work can lead to health problems and accidents for LTC workers

In den kommenden 20 Jahren um 60 Prozent mehr Pflegekräfte benötigt

Die knapp 200 Seiten dicke Studie mit dem Titel "Who Cares? Attracting and Retaining Care Workers for the Elderly" (Wer kümmert sich? Pflegekräfte für die Älteren anziehen und halten") widmet sich neben einer Bestandsaufnahme vor allem Möglichkeiten, den massiv steigenden Bedarf an Pfleger*innen in den kommenden Jahren zu decken. Rekrutierung von Männern, bessere Bezahlung und Ausbildung, aber auch Einsatz von Technologie werden diskutiert.

Mehr als 90 Prozent der Pflegekräfte seien weiblich, 20 Prozent jeweils im Ausland geboren. Die meisten von ihnen seien Frauen im mittleren Alter, mit einem Durchschnittsalter von 45 Jahren. Die meisten Beschäftigten des Sektors (70 Prozent) hätten keine Krankenpflegerausbildung. Dies schlage sich auch in der Bezahlung nieder. Während der durchschnittliche Stundenlohn im Spitalsbereich 14 Euro betrage, liege er in der persönlichen Pflege bei nur neun Euro.

Was den Anteil von männlichen Pflegern betrifft, liegt Österreich der Studie zufolge etwas besser als der OECD-Durchschnitt. Detaillierte Daten dazu waren jedoch nicht zu erhalten. Entgegen einer verbreiteten Wahrnehmung sind im österreichischen Pflegesektor auch nicht überproportional viele im Ausland geborene Personen beschäftigt. Mit etwas weniger als 30 Prozent liegt der Anteil nur einige Prozentpunkte höher als in der Gesamtbevölkerung. Der OECD-Schnitt liegt hier bei über 20 Prozent. Deutlich höher ist in Österreich jedoch der Anteil der Teilzeitbeschäftigten im Pflegesektor (60 Prozent, um 15 Prozentpunkte mehr als der OECD-Schnitt).

Wegen der alternden Bevölkerung werden in den kommenden 20 Jahren um 60 Prozent mehr Pflegekräfte in den OECD-Staaten benötigt, um den bisherigen Versorgungsstand zu halten. Das entspreche 13,5 Millionen Jobs in dem Sektor. Aktuell sei der Engpass am größten in Staaten wie der Slowakei, Polen und Rumänien, die in europäischem Maßstab als Exporteure von Pflegekräften gelten. Die Coronakrise habe gezeigt, wie wichtig der Pflegebereich sei, betont die OECD. Schließlich seien Schätzungen zufolge mehr als 50 Prozent aller Covid-19-Todesfälle in Pflegeeinrichtungen zu beklagen gewesen.

Figure 1.5. An additional 60% LTC workers are needed by 2040
Number of additional LTC workers needed by 2040 to keep the ratio constant as a share of the total number of workers in 2016



APA und Redaktion: Gabriele Tupy
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Die OECD hat derzeit 37 Mitgliedsstaaten, neben 22 EU-Staaten sind dies Australien, Chile, Großbritannien, Island, Israel, Japan, Kanada, Kolumbien, Mexiko, Neuseeland, Norwegen, die Schweiz, Südkorea, die Türkei und die Vereinigten Staaten von Amerika.


OECD Studie: Who Cares? Attracting and Retaining Care Workers for the Elderly

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