Artikelbild Gebt der Pflege die Pflege zurück!

von Wolfgang Huber & Pia Haider

Warum fliehen so viele aus einem Beruf, der doch für viele eine Berufung ist? Ist es so, wie viele behaupten, dass wir die Pflege zu einer Fließbandarbeit an der thermodynamischen Maschine Mensch gemacht haben?

Der Mensch ist mehr als eine thermodynamische Maschine und Pflege ist mehr als ein paar Handgriffe, um die Person warm, satt und sauber zu halten.
Jeder, ob pflegebedürftig oder nicht, will eine Beziehung erleben und jemanden, der ihm ein selbstbestimmtes Leben in Würde ermöglicht. Wenn es um Pflege geht, geht es auch immer um Beziehung. Pflege ist Beziehungsarbeit! Und die Fakten beweisen, dass das sogar effizient ist. Jetzt werden die Kostenrechner sagen: „Das kann nicht sein!“ Ja sicher kann es nicht sein, mit der Denkweise, mit der man das Problem geschaffen hat, kann man es eben nicht lösen.

Gute Pflege versorgt den Menschen, damit er eben ein soziales, physisches und psychisches Wohlbefinden hat. Gesund ist, wer mit seiner Krankheit zu leben gelernt hat. Um das tun zu können, bedarf es der Kompetenz eine Krankheit richtig beurteilen zu können und ihm wieder ein Leben in seinem sozialen Umfeld zu ermöglichen.
Pflegen ist eben mehr als ein paar Handgriffe, sondern es ist die Fähigkeit für den Menschen, das zu tun, was er oder sie jetzt braucht und man kann sich nicht vorstellen, wie effizient das ist. Die Überdokumentation und die ständigen Prozessdefinitionen, die aus der Industrie kommen, liefern einfach nicht die Lösung.

Jeder Mensch ist einzigartig und was er braucht, kann sich von Tag zu Tag sehr unterscheiden. Die Medizin hat das schon begriffen, denn da sprich man jetzt von der „personalized medicine“.
Wann werden wir endlich begreifen, dass wir auch „personal nursing“ brauchen?   
Der Mensch ist eben keine Maschine, bei der man einmal im Monat die Wartungszeit bestimmen kann!

Österreich hat tolle Pflegekräfte und wir können ihnen vertrauen, dass sie das Richtige machen. Unsere Pflegekräfte müssen nicht von einem System entmündigt werden, das ihnen genau vorschreibt, wie viel Zeit sie für gewisse Handgriffe benötigen dürfen und das Pflege auf ein paar Handgriffe reduziert. Das ist ineffizient und geht an den Menschen vorbei.
Geben wir doch endlich der Pflege die Pflege zurück. Manager sind dafür da, die Pflege zu unterstützen, aber keinesfalls sie zu entmündigen.

Pflege ist ein wunderbarer Beruf und es ist völlig unverständlich, dass wir in Österreich bei so einem schönen Beruf einen Mangel an Kräften haben. Wir brauchen eine neue Denkweise. Gebt der Pflege das Kommando. Und ihr werdet sehen, es ist effizienter, effektiver und menschlicher!

Nun werden viele sagen: „Das kann nicht sein! Zeige uns die Fakten.“
Vor 12 Jahren hat ein niederländischer Pfleger mit drei Kollegen gesagt, dass er bei dem industriellen Pflegesystem, das in den Niederlanden war und derzeit noch in Österreich ist, nicht mehr mit macht. Er gründete Buurtzorg, was auf Niederländisch Nachbarschaftspflege heißt. Buurtzorg hat nun 14.000 Mitarbeiter, hat die Kosten um 30% gesenkt und wurde bereits fünf Mal attraktivster Arbeitgeber in den Niederlanden gekürt. Gepflegte und Pflegende sind mit dem System sehr zufrieden.
Es ist also Fakt, dass eine gute Beziehung nicht nur effektiv, sondern auch sehr effizient ist.

Als ich das zum ersten Mal hörte, dachte ich mir: „Das ist doch alles zu schön, um wahr zu sein.“ Ich fuhr in die Niederlande und ich sah, dass es wahr ist. Viele fahren in die Niederlande, sind sehr beeindruckt, doch sagen sie: „Bei uns geht das nicht!“ Wir Österreicher lieben es halt darüber nachzudenken, warum etwas nicht geht!
Es geht aber und wir sollten es zumindest probieren. Es ist nicht die Lösung für alles, aber es ist sicher EINE Lösung, die für viele Menschen sehr interessant sein wird.

De facto wird es in Wien durch die Sozial-Medizinische Initiative Rodaun „SMIR“ bereits gemacht. Ebenso wurde in Korneuburg das erste Pflegeteam gegründet, dass nach Buurtzorg arbeitet und der österreichische Partner von Buurtzorg ist – Buurtzorg Cura Communitas GmbH.  Das Team besteht derzeit, wie auch in den Niederlanden, rein aus diplomierten PflegerInnen und hat schon PatientInnen, die mit dem Ansatz überglücklich sind. Es herrscht kein Personalproblem, denn wie in den Niederlanden hat es einfach mehr Bewerbungen als PatientInnen und muss Interessenten abweisen.

Warum geben wir nicht einem Ansatz, der Gepflegte und Pflegende glücklich macht und effizienter ist eine Chance? Wir sind zuversichtlich, dass wir es auch in Österreich erleben werden!


Dr. Wolfgang Huber
und Pia Haider, B.Sc.
Buurtzorg Cura Communitas GmbH
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Information Buurtzorg Cura Communitas


Buurtzorg Cura Communitas ist der österreichische Partner von Buurtzorg in den Niederlanden. Diese GmbH kooperiert nicht nur mit Buurtzorg Niederlande, sondern auch mit dem Roten Kreuz und der Cura Domo, einem 24 Stunden Betreuer. Das gemeinnützige Unternehmen wurde von einer Diplomierten Gesundheits- und KrankenpflegerInnen und Unterstützern des Projektes August 2019 in Korneuburg, Niederösterreich gegründet. Der neue Pflege- und Betreuungsansatz von Buurtzorg Cura Communitas hat weitreichende Auswirkungen auf das Leben der KlientInnen.

Die Pflege in Österreich und in vielen anderen Ländern ist durch starre und industrialisierte Abläufe gekennzeichnet. Dies führt zu Qualitätskontrollen, die rein prozessorientiert sind und im Laufe der Zeit zu Unzufriedenheit bei den PflegerInnen und Gepflegten führen.
Buurtzorg bietet erstmals den KlientInnen in Österreich an, dass diese selbstbestimmt, eigenaktiv in ihren Bedürfnissen wahrgenommen werden, einen Bezug und Vertrauen zu ihren Pflegepersonen aufbauen und am sozialen Leben teilnehmen. Ziel des vorliegenden Projektes ist es, dass die KlientInnen selbstbestimmt und selbstaktiv solange wie möglich ein erfülltes
Leben zu Hause leben können. Die Grundidee dieser neuen Pflege ist die Einbindung des gesamten sozialen Umfeldes eines pflegebedürftigen Menschen. Der Mensch soll weiterhin ein Teil seiner Gemeinschaft sein - Familie, Freunde, Nachbarn, Kirchengemeinden, Seniorenclubs, Hobbyclubs und vieles mehr sind alle Teil dieser Gemeinde. Die PflegerInnen pflegen den Kontakt zu dem kommunalen Setting Ihrer KlientInnen und ermöglichen dadurch eine flächen- und zeitdeckende Pflege. Die KlientInnen haben trotz Pflegebedürftigkeit weiterhin die Möglichkeit an dem kommunalen Leben teilzuhaben. Dadurch adressiert Buurtzorg mit ihren Tätigkeiten aktiv das Thema der Einsamkeit und der Überforderung der pflegenden Angehörigen und erhöht so die Lebensqualität aller Beteiligten.

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