Artikelbild Aktuelle Judikatur zum Heimaufenthaltsgesetz

§ 5 Abs 1 Z 2 HeimAufG

Freiheitsbeschränkungen iSd HeimAufG durch privaten Sicherheitsdienst und Notwehrsituation; amtswegige Berichtigung des Datums des Gerichtsbeschlusses

LG ZRS Wien 17. 10. 2019, 43 R 510/19x

Das Festhalten eines Kranken zur Ermöglichung medizinischer Maßnahmen (Verabreichung einer Injektion) ist Teil der psychiatrischen Gesundheits- und Krankenpflege und bleibt damit diplomiertem Pflegepersonal nach den Regelungen des GuKG vorbehalten (7 Ob 119/14x, iFamZ 2014/226 ua). Für Mitarbeiter eines gewerblichen Sicherheitsdienstes besteht damit keine gesetzliche Grundlage (auch nicht auf Anordnung eines Arztes), die sie zur Vornahme von Pflegehandlungen berechtigen würde.

Ein im Bett befindlicher, motorisch beeinträchtigter Patient ist in der Reichweite seiner Aggressionshandlungen eingeschränkt, weshalb keine Notwehrsituation im Sinne einer unmittelbar drohenden, nicht anders abzuwendenden Gefährdung festgestellt werden kann.

Aus dem (erstgerichtlich festgestellten) Sachverhalt: Der Patient wurde [in der Krankenanstalt] aufgenommen. Er war verwirrt und teilweise desorientiert, auf Grund der motorischen Beeinträchtigungen des Patienten bestand Sturzgefahr. Bei einem abendlichen Versuch, aus dem Bett aufzustehen, war der Patient nicht zugänglich und beschuldigte aufgrund seiner Desorientiertheit den diplomierten Gesundheits- und Krankenpfleger als Einbrecher. Er wurde zunehmend aggressiver und begann, mit den Händen nach dem Pfleger zu schlagen. Er versuchte auch immer wieder aufzustehen. Eine Pflegeschwester wurde hinzugerufen, da diese den Patienten gut kannte und dieser bei ihr gut führbar war. Der Patient ließ sich nicht beruhigen, war zunehmend agitiert […] und verbal nicht erreichbar. Er begann gezielte Tritte nach dem Pfleger auszuführen. Der diensthabende Arzt wurde hinzugerufen und versuchte über einen Zeitraum von etwa 20 min ebenfalls, verbal auf den Patienten einzuwirken, jedoch war dieser verbal nicht zugänglich. Bei den Versuchen, den Patienten wieder in eine sichere Position ins Bett zu bringen, begann er weiter zu treten und versuchte die Pflegepersonen zu beißen. Er führte auch einen gezielten Tritt gegen den Pfleger aus und traf diesen am Brustkorb. Der Arzt alarmierte den Sicherheitsdienst zur Assistenz, um dem Patienten eine Spritze verabreichen zu können. Eine weitere diensthabende Oberärztin wurde ebenfalls dazu geholt. Der Sicherheitsdienst fixierte die Beine des Patienten, Arzt und Pfleger hielten seine Arme fest, und Dr (…) verabreichte dem Patienten eine Spritze. Während des Vorganges versuchte das Pflege- und Gesundheitspersonal weiter, verbal beruhigend auf den Patienten einzuwirken. Der Patient beruhigte sich nach der Verabreichung der Spritze.

Die Nachtdienstpräsenz ist auf der Station mit maximal 25 Stunden eingeteilt, von 19 Uhr bis 7:30 Uhr. Es handelt sich in der Regel um zwei Personen, eine davon muss diplomierter Pfleger sein. Das Pflegepersonal muss im Schnitt 20 Patienten betreuen, davon sind vier Patienten überwachungspflichtig, so etwa Schlaganfallpatienten, die besonderer Supervision bedürfen. Besonders in der Nacht kann es zu Problemsituationen kommen, weil Patienten dann häufiger desorientiert oder agitiert sind. Die Deeskalation von Krisensituationen ist auf Grund der knappen Personalressourcen mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden.

Ergänzende Sachverhaltsfeststellung des Landesgerichts: Mit dem angefochtenen Beschluss erklärte das Erstgericht die am Bewohner am 23. 8. 2018 vorgenommene Freiheitsbeschränkung durch Festhalten der Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma und Pflegekräfte für unzulässig. Dieser Beschluss wurde im Rahmen der Tagsatzung vom 14. 1. 2019 verkündet (…). Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der kollegialen Führung des Krankenhauses mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss wegen Nichtigkeit ersatzlos aufzuheben, in eventu den Antrag des Bewohners zurückzuweisen, in eventu diesen abzuweisen. (Der Bewohnervertreter) beantragte, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Lesen Sie weiter in der iFamZ 1/2020
www.lindeverlag.at

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